Gelsenkirchen/Hagen.. Die Pflegefamilie des Gelsenkircheners in Plettenberg galt als gut qualifiziert. Ermittlungen richten sich ausschließlich gegen den Pflegevater.
Im Fall des eineinhalb Jahre alten Jungen, der nach schweren Misshandlungen im sauerländischen Plettenberg am 3. Januar in Folge seiner Verletzungen starb, ermittelt die Staatsanwaltschaft Hagen nicht gegen das Jugendamt Gelsenkirchen. „Es gibt zum jetzigen Zeitpunkt keine Vorwürfe gegen das Jugendamt“, sagte Staatsanwalt Michael Burggräf am Dienstag. Der Junge stammte aus einer Gelsenkirchener Familie, lebte jedoch seit August 2018 bei der Pflegefamilie in Plettenberg. Einen Monat zuvor hatte die Stadt das behinderte Kind aus der Obhut seiner Familie geholt und den Eltern mit einem Gerichtsbeschluss die elterliche Sorge entzogen.
Regelmäßige Hausbesuche
Der Pflegevater befindet sich nach Angaben des Staatsanwalts derweil weiterhin in Untersuchungshaft. Gegen ihn wurde schon am Freitag am Amtsgericht Lüdenscheid Haftbefehl wegen Körperverletzung mit Todesfolge erlassen. Er steht in dringendem Verdacht, dem Jungen die schweren Kopfverletzungen zugefügt zu haben, die letztendlich zu seinem Tod führten.
Der freie Träger, der die Plettenberger Pflegefamilie begleitete, die Lebenshilfe Wohnen NRW gGmbH, versuchte Dienstag bei einem Arbeitstreffen, die Geschehnisse rund um den Tod des 15 Monate alten Kindes aufzuarbeiten und zu bewerten. Beteiligt waren die Betreuerin der Lebenshilfe vor Ort und Vertreter des Gelsenkirchener Jugendamtes. Der Erkenntnisgewinn blieb beschränkt. „Neues wissen wir nicht wirklich“, so Phillip Peters, Sprecher des Lebenshilfe Landesverbandes. „Wir haben uns alles noch einmal genau angesehen. Es gibt derzeit aus unserer Sicht nichts wo man sagen könnte, das kann man besser machen. Das ist ein ganz tragischer Fall in einer Familie, die eigentlich gut betreut wurde.“
Pflegemutter arbeitet bei der Lebenshilfe
Der Junge aus Gelsenkirchen wurde in einer professionellen Pflegefamilie aufgenommen. Das bedeutet, dass mindestens ein Elternteil eine pädagogische Qualifikation hat. Der Einjährige war laut Lebenshilfe das erste und bislang einzige Pflegekind in der Familie Es habe sehr regelmäßige Hausbesuche gegeben“, so Peters. Auch auf anderen Kanälen habe die Familie engen Kontakt zur Lebenshilfe gehalten, zudem sei die Mutter als Mitarbeiterin dem Träger wohlbekannt.
Landesweit arbeitet die Lebenshilfe Wohnen mit acht professionellen Pflegefamilien zusammen, die zehn Kinder betreuen. Die einheitlichen Standards für Auswahlprozess, Vorbereitungs- sowie Anbahnungsphase und die weitere Betreuung gibt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe vor. 46 verschiedene Träger haben nach diesen Vorgaben aktuell rund 1200 Kinder im Rahmen des Modells „Westfälische Pflegefamilie“ untergebracht.
Anspruch auf Schmerzensgeld
Die leiblichen Eltern des Jungen stehen mit der Stadt Gelsenkirchen in Kontakt und haben entsprechende Hilfe angeboten bekommen. Ob sie Schadensersatzforderungen stellen werden, ist noch unklar. „Die Wahrscheinlichkeit, bei solch einem schweren Schicksalsschlag Schmerzensgeld zu erhalten, ist sehr groß“, erklärte Rechtsanwalt Arndt Kempgens. Dabei stünde nicht nur den Eltern, sondern auch dem Kind ein Anspruch auf Schmerzensgeld vom Täter zu, der in diesem Fall auf die Eltern vererbt worden sei. Sofern auch den Behörden eine Amtspflichtverletzung nachgewiesen werden kann, wären auch Regressforderungen gegen sie möglich.
Beim Fall in Mülheim ist die GE-Stadtverwaltung im Fokus
Schon im April 2018 ist ein achtmonatiger Säugling getötet worden, der zum Zeitpunkt des Todes unter der Obhut des Jugendamtes Gelsenkirchen stand. Obwohl sich der Vorfall in Mülheim ereignete, war die hiesige Stadtverwaltung für die betroffene Familie zuständig. Nach dem Tod des Mädchens, das damals infolge massiver Kopfverletzungen in der Essener Uniklinik verstorben war, „wird sich das Jugendamt Gelsenkirchen noch mit unangenehmen Fragen der Ermittler konfrontiert sehen.“ Das hatte im August die ermittlungsleitende Staatsanwältin Karin Hülsen angekündigt.
Das Verfahren gegen den 23-jährigen Kindsvater und mutmaßlichen Täter wird am 25. März vor dem Landgericht Duisburg eröffnet. Die Rolle des Jugendamtes Gelsenkirchen ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens, teilte Landgerichtssprecher Thomas Sevenheck mit. Sie wird weiterhin geprüft.