Gelsenkirchen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen sieht keine Gründe mehr, weshalb Sami A. nicht hätte abgeschoben werden dürfen. Das entschieden die Richter.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat das Abschiebeverbot gegen den bereits abgeschobenen mutmaßlichen Islamisten Sami A. aufgehoben. Das Gericht gab am Mittwoch einem entsprechenden Antrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge statt.

Auslöser für die Wende des Gerichts war eine diplomatische Note des Staates Tunesien, in der bestätigt wurde, dass dem angeblichen früheren Leibwächter von Osama bin Laden in Tunesien keine Misshandlungen drohen. Seit Mitte Juli hatten sich das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt bei den tunesischen Behörden um diese Verbalnote bemüht.

Nun befand das Gericht, dass es die Gefahr der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Tunesiers durch seinen Heimatstaat „für nicht mehr beachtlich wahrscheinlich“ halte, erklärte ein Sprecher. Klagen von Sami A., er sei in tunesischer Haft drangsaliert worden, erschienen so als nicht glaubhaft.

Politisch heikle Phase geht zu Ende

Damit zeichnet sich schon vor der Entscheidung im Hauptsacheverfahren ab, dass Sami A. nicht mehr aus Tunesien zurückgeholt werden muss. Für NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) geht eine politisch heikle Phase zu Ende, die ihn fast das Amt gekostet hätte. Sami A. war am 13. Juli von den NRW-Behörden in einer Nacht- und Nebelaktion aus der Abschiebehaft Büren per Charterflug nach Tunesien ausgeflogen worden. Die Ausländerbehörde Bochum hatte auf Stamps Weisung hin das Verwaltungsgericht über den Abschiebetermin im Unklaren gelassen. So sollte verhindert werden, dass sich der seit mehr als zehn Jahren unter Polizeiauflagen in Bochum lebende Islamist auf dem Wege des vorläufigen Rechtsschutzes der Rückführung entzieht. Eine in solchen Fällen übliche „Stillhaltezusage“ der Behörden oder ein „Hängebeschluss“ bis zur juristischen Klärung hatte es nicht gegeben, weil das Verwaltungsgericht nicht von einer eiligen Abschiebung des Islamisten ausging. Stamps Juristen wollten clever „ein Zeitfenster“ nutzen, um den als gefährlich eingestuften Sami A. nach jahrelangem Rechtsstreit außer Landes zu schaffen.

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Als das Verwaltungsgericht entschied, dass die Abschiebung wegen einer möglichen Foltergefahr nicht zulässig sei, war die Chartermaschine mit Sami A. bereits im tunesischen Luftraum und wurde von Stamp nicht mehr gestoppt.

Bundesweite Debatte um Rechtsverständnis

Der Fall zog eine bundesweite Debatte über das Rechtsstaatsverständnis der schwarz-gelben Landesregierung nach sich. Die Justiz fühlte sich in beispielloser Weise von der Exekutive hinters Licht geführt und erhob schwere Vorwürfe gegen Stamp. Der zeitweilig schwer unter Druck stehende FDP-Politiker machte seinen Verbleib im Amt davon abhängig, ob Sami A. in seiner Heimat gefoltert werde. Parallel bemühte sich die Bundesregierung um eine diplomatische Zusicherung des tunesischen Staates, dass der Islamist menschenrechtskonform behandelt werde. Erst am 29. Oktober lag die Verbalnote vor, die nun die Wende in dem Fall brachte.

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In der Öffentlichkeit und in den sozialen Medien stieß die Debatte um eine eventuelle Rückführung von Sami A. allerdings auf heftiges Unverständnis, denn der mutmaßliche frühere Leibwächter von Osama Bin Laden wurde auch von den deutschen Sicherheitsbehörden als islamistischer Gefährder eingeschätzt. Die Abschiebung galt insofern eigentlich als wünschenswert. Das Gelsenkirchener Gericht war in der Folge Ziel heftiger Kritik bis hin zu handfesten Drohungen.