Gelsenkirchen-Bismarck. . Sie haben kleine Särge gebastelt und schaufeln jetzt Gräber: Kinder der Kita St. Agnes in Gelsenkirchen-Bismarck beerdigen Insekten – und stellen viele Fragen.

„Da ist eine große Hummel drin und ein Marienkäfer.“ Die 5-jährige Romy deutet auf eine Streichholzschachtel. Blaue, pinke, gelbe und grüne Kleckse, aufgetragen mit unsicheren Pinselstrichen, verdecken das Markenlogo. Weiße Glitzersteine reflektieren das Sonnenlicht. „Einer ist weg“, sagt Romy, während sie mit einer Schaufel ein Loch in die Erde gräbt.

„Ich glaube, das ist tief genug.“ Erzieherin Marianne Stegemann schaut dem blonden Mädchen aufmerksam zu, als es die Schachtel behutsam in die Grube gleiten lässt. Ein Junge kommt dazu. Auch er hält eine bunt bemalte Box in den Händen. Darin liegt eine leblose Wespe, gebettet auf ein Stück Taschentuch.

Kinder lernen, wie eine Beerdigung abläuft

Auf dem Friedhof schauen sich die Kinder neugierig alles an.
Auf dem Friedhof schauen sich die Kinder neugierig alles an. © Olaf Ziegler

Die Kinder aus der Kita St. Agnes lernen heute, wie eine Beerdigung abläuft. Die Erzieher haben sie bereits vorher vorsichtig an die Themen Tod und Trauer herangeführt, ihnen entsprechende Geschichten vorgelesen. Dann wurden gemeinsam kleine Särge für tote Insekten gebastelt. Bei einer Bestattungszeremonie auf dem katholischen Friedhof Am Stäfflingshof finden die Tiere nun ihre letzte Ruhe.

„Wir stellen immer wieder fest, dass Kinder komplett rausgehalten werden, wenn jemand stirbt“, erklärt Stegemann. Dabei hätten sie viele Fragen. „Wir versuchen deshalb, sie spielerisch da heranzuführen.“ So sei die Idee des Insektenfriedhofs entstanden.

Friedhofsgärtnerin hilft beim Bepflanzen der Gräber

Ein hölzernes Kreuz zeigt den Standort der Grabstätte für Krabbeltiere an.
Ein hölzernes Kreuz zeigt den Standort der Grabstätte für Krabbeltiere an. © Olaf Ziegler

Bei der passenden Dekoration der Grabstelle hilft Claudia Zander von der Friedhofsgärtnerei Seppelfricke. Sie hat Hornveilchen mitgebracht, die die Jungen und Mädchen eifrig auf die Gräber pflanzen. Kleine Kiesel fungieren als Grabsteine und aus herumliegenden Eicheln entstehen Begrenzungen.

„Ziel ist, dass die Kinder zuhause davon erzählen und mit ihren Eltern das Grab besuchen kommen“, erklärt Zander. Denn viele hätten zum Glück noch nie einen Verwandten verloren und daher keinen Bezug zum Friedhof. Es sei deshalb wichtig, Fragen zu beantworten, „ bevor Oma oder Opa sterben“.

Die Idee stammt aus Schweden

  • Die Kinder wollen einen Beerdigungskoffer zusammenstellen und auf dem Friedhof deponieren. Dann können sie immer, wenn sie ein totes Insekt finden, vorbeikommen und es beisetzen.
  • Vorbild für die Aktion ist eine Beerdigungsagentur für Tiere, gegründet von Kindern in Schweden.

Besonders viele Fragen hat Adam. Er hat marokkanische Wurzeln, ist Moslem. Im Islam gibt es schlichte, sarglose Begräbnisse. Erstaunt betrachtet Adam daher die liebevoll dekorierten Grabstätten auf dem Friedhof, liest Marianne Stegemann die Inschriften der Grabsteine vor. Wie denn ein Sarg von innen aussieht, möchte er gerne wissen. Und was das Kreuz bedeutet, das über die Insekten wacht. Am Ende kann er sich trotz aller Neugier aber nicht überwinden, Wespe „Summsi“ in dem Pappsarg zu bestatten und legt den Leichnam ohne Schachtel ins Erdreich.

Romy hingegen war mit ihren Eltern schon öfter auf einem Friedhof und kennt die Bräuche. „Da haben wir die Mama von meiner Mama vergraben“, erzählt sie. „Jetzt besuchen wir sie immer und bringen ihr Blumen mit.“