Gelsenkirchen. . Gelsenkirchener Unternehmen freuen sich über zusätzliche Bewerber um Lehrstellen. Schulabgänger und Firmen finden trotzdem oft nicht zusammen.
Die Zahl der Jugendlichen, die nach dem Schulabschluss gerne eine Berufsausbildung absolvieren möchten, ist gestiegen. Die Zahl der Ausbildungsplätze auch. Doch das Verhältnis von Bewerbern und Stellen ist unausgewogen: In diesem Jahr gab es in Gelsenkirchen 1332 Ausbildungsstellen zu besetzen und 2210 Interessenten buhlten um die besten Plätze. Trotzdem blieb fast jeder zehnte unbesetzt.
Angesichts des zunehmenden Mangels an qualifiziertem Fachpersonalraten Arbeitsagentur, Handwerkskammer (HWK) und Industrie- und Handelskammer (IHK) Firmen schon lange, in Ausbildung zu investieren. Denn bis 2024 werden allein in Gelsenkirchen 15.000 Arbeitnehmer in Rente gehen.Die Quote der Unternehmen, die Azubis einstellen, sinkt jedoch kontinuierlich, lag zuletzt bei 22,4 Prozent.
50 Stellen mehr als 2017
Dennoch waren in diesem Jahr 50 Stellen mehr ausgeschrieben als im Vorjahr. „Die Tendenz ist positiv“, sagt Marcus Kowalczyk von der Agentur für Arbeit. In handwerklichen Berufen waren es allein 43 zusätzliche Plätze. „Die Situation hat sich verbessert“, freut sich Knut Heine von der HWK Münster.
Weniger positiv ist hingegen die Zahl der nicht besetzten Ausbildungsplätze: 116 wurden der Arbeitsagentur gemeldet, 77 mehr als 2017. „Besetzungsprobleme gibt es vor allem bei weniger attraktiven Berufen“, sagt Edith Holl von der Arbeitsagentur. Dazu gehörten etwa Handwerksberufe. Viele Jugendliche suchten außerdem einen Ausbildungsplatz in Berufsfeldern, die in Gelsenkirchen nicht angeboten werden, wie etwa Pferdewirt oder Forstwirt.
Mangelnde Qualifikation ist nicht schuld
Trotz der Probleme der Betriebe, Stellen zu besetzen, fanden in diesem Jahr 100 Schulabgänger keine Anstellung, 26 mehr als im Vorjahr. Den Vorwurf, die mangelnde Qualifikation der Bewerber sei der Grund dafür, weist Kowalczyk zurück. Er appelliert an Unternehmen, „mal einen zweiten Blick zu wagen“. Denn: „Wichtig ist, dass Motivation und Talent vorhanden sind.“
Ein Praktikum sei zudem oft eine aufschlussreichere Empfehlung für Bewerber als gute Schulnoten, weiß Marius Mann, Personalleiter bei ZINQ. Der Betrieb wurde von der Arbeitsagentur für gute Nachwuchsförderung ausgezeichnet.
Auch das sei wichtig, erklären die Experten der Arbeitsagentur. Damit sich qualifizierte Bewerber für ausgeschriebene Stellen finden, müsse die Ausbildung attraktiv sein. Sonst entschieden sich Schulabgänger für schulische Weiterbildungsmaßnahmen oder ein Studium oder brechen eine bereits begonnene Lehre wieder ab. 2016 trennten sich Betrieb und Lehrling in jedem vierten Fall.
Handwerk ist für viele unattraktiv
Doch es gibt auch Gründe, warum Ausbilder und zukünftige Auszubildende gar nicht erst zusammenfinden: „Handwerk ist klassisch auf Hauptschüler ausgelegt“, erklärt Heine den Ruf des Handwerks. Viele scheuten sich deshalb, eine Lehre als Tischler oder Bäcker zu beginnen. Dabei seien die Verdienstmöglichkeiten für Handwerksmeister oft mit denen von Studienabsolventen vergleichbar.
Und auch, wenn Jugendliche sich für eine Ausbildung entscheiden, gibt es Stolpersteine. „Viele der über 300 Ausbildungsberufe sind gar nicht bekannt“, sagt Kowalczyk. Die Konsequenz: Trotz zum Teil großer inhaltlicher Schnittmengen mit geläufigen Berufen gibt es kaum Bewerber.
Verschiedene Kampagnen sollen diese Hürden abbauen und Schüler schon früh mit potenziellen Arbeitgebern in Kontakt bringen. Dazu gehört etwa die Berufsorientierung in der Schule, Partnerschaften zwischen Schulen und Betrieben und Botschafter, die für ihre Ausbildung werben.
Informationen für Betriebe und Bewerber
Jugendliche, deren Schulabschluss ansteht, können sich schon jetzt bei der Agentur für Arbeit kostenlos beraten lassen, welche Ausbildung zu ihnen passt. Unter der Telefonnummer 0800 4555500 kann ein Termin zur Beratung vereinbart werden.
Auch Unternehmen, die sich Unterstützung bei der Suche nach Auszubildenden wünschen, können den Arbeitgeber-Service der Arbeitsagentur und des Jobcenters unter 0800 4555520 kontaktieren. Es empfiehlt sich außerdem, freie Stellen zu melden.