Gelsenkirchen-Buer. . Volles Haus bei den Vorstellungen der Film-Doku „Elternschule“ in der Schauburg in Buer. Zuschauerreaktionen reichen von Entsetzen bis Zustimmung.

Der zarte Junge mit der schweren Neurodermitis versinkt regelrecht in den Armen auf dem Schoß der Erzieherin, die das strampelnde Kind auf dem Boden sitzend festhält, um es füttern zu können. Es ist diese Szene, die bei den Protesten gegen den Film und die Methoden der „Elternschule“ an der Kinder- und Jugendklinik Buer am meisten zitiert wird. Von „Schwitzkasten“ ist die Rede, von Zwangsfütterung.

„Von Zwangsfütterung kann keine Rede sein“, betont Dr. Kurt-André Lion, der leitende Arzt der Abteilung. „Die Erzieherin bietet den Löffel an, mehr nicht. Als das Kind unruhig wird, setzt sie sich mit dem Kind auf den Boden, um zu vermeiden, dass es vom Schoß stürzt. Als das Kind sich abwendet, zieht sie den Löffel zurück.“

Liebevoll konsequentes Erziehen als Basis

Die Fütterung des kleinen Jungen, später im Film auf dem Boden sitzend fortgesetzt, interpretierte mancher Kritiker als Zwangsfütterung.
Die Fütterung des kleinen Jungen, später im Film auf dem Boden sitzend fortgesetzt, interpretierte mancher Kritiker als Zwangsfütterung. © Zorro-Film

Eine andere Filmszene, die bei Kritikern Ablehnung bis hin zu Entsetzen auslöst: Das Schlaftraining, für das Eltern ihr Kind im Gitterbettchen in einen videoüberwachten Raum schieben und in dem sie es auch allein lassen sollen, wenn es weint oder schreit. Ein Verhalten, das für Anhänger des „Attachment Parenting“ (AP), unzumutbar ist. Das AP-Konzept ging aus einer Bewegung in den Staaten hervor. Gemeinsames Schlafen, jedem Schreien des Kindes durch Bedürfniserfüllung zuvorkommen und engster Kontakt sind grundlegend. Im Gegensatz zum Prinzip des liebevoll konsequenten Erziehens mit festen Regeln, wie es in der Klinik angewendet wird.

Moniert wird auch, dass Kinder im Film vom Psychotherapeuten als Monster dargestellt würden, die von klein auf strategisch die Eltern terrorisierten. „Kinder sind keine Monster. Aber wenn ihre Grenzen nicht sicher sind, dann werden sie ihre Grenzenlosigkeit im Laufe der Zeit als Normalität erleben und im Alltag ausleben,“ widerspricht Lion.

Geteiltes Echo nach der Vorführung in der Schauburg

ISarah Lieder und Dominic Valezinski, beide angehende Erzieher, sind begeistert vom Film und der Therapie in Buer.
ISarah Lieder und Dominic Valezinski, beide angehende Erzieher, sind begeistert vom Film und der Therapie in Buer. © Heinrich Jung

Auch bei der Vorführung des Films am Montag in der Schauburg, die erneut ausverkauft ist, Interessierte abweisen muss, ist das Echo am Ende geteilt. Allerdings mit eindeutig mehr Zustimmung als Ablehnung. „Anfangs war es schon sehr hart, zuzuschauen. Aber das Konzept ist richtig und der Film erklärt es auch gut“, findet Anke Jarovski, von Beruf Erzieherin. „Das ist kein Schwitzkasten, sondern eine normale Haltung beim Füttern, die da gezeigt wird“, meint Dominik Valezinski, angehender Erzieher. Und Sarah Lieder, ebenfalls in der Ausbildung zur Erzieherin, wünscht sich gar, dass „der Film als Lehrfilm in der Ausbildung gezeigt wird.“ Auch Janine Bürger, Tagesmutter aus Essen, ist verwundert über die harsche Kritik im Netz. „Wir würden den Film Eltern empfehlen.“

„Ich fand das Vorgehen furchtbar und unmenschlich“

Thomas Stübe, Familientherapeut und Heilpädagoge, diskutiert mit Kolleginnen nach dem Film vor dem Kino und kann es nicht fassen. „Ich fand das Vorgehen furchtbar bis unmenschlich. Keiner fragt, warum die Kinder dieses Verhalten zeigen.“

>>>Info: Hier läuft der Film noch

Wer sich selbst eine Meinung bilden möchte: Der Film läuft in der Schauburg an der Horster Straße 6 in Buer noch am Sonntag, 28.10. um 13 sowie am Montag, 29.10. um 18 Uhr.

Im Programmkino Casablanca in Bochum, Kortumstraße, läuft er am Freitag, 26.10. um 17.15 Uhr, Sonntag, 28.10. um 15 Uhr und Montag, 29. Oktober um 17.15 Uhr.

Der Fernsehsender „Arte“ plant eine Ausstrahlung einer Kurzfassung im Frühjahr 2019.