Gelsenkirchen-Graf Bismarck. . Bürger in Graf Bismarck beschweren sich über schlechte ÖPNV-Planung. Raserszene nutzt jetzt die Seitenstraßen, um sich im Quartier auszutoben.
An diesem sonnigen Morgen scheint kein Wässerchen die Idylle im neuen Stadtquartier Graf Bismarck mit seinen modernen Häusern trüben zu können. 200 bis 300 Menschen leben hier in etwa. Die Szenerie: Jogger und Spaziergänger entlang des Wasser, Mütter mit Kindern auf dem Spielplatz, emsiges Treiben im Gewerbegebiet und auf den Wohnbaustellen. Doch der schöne Schein trügt.
Anwohner wie Achim Götte und Wolfgang Kothe sind die beiden Stimmen einer neu gegründeten Interessengemeinschaft (Facebook: Wohnen Graf Bismarck), die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Planungsmängel im Quartier aufzuzeigen. Ihre Hoffnung: Korrekturen von Seiten der Verwaltung. Ihr bisheriger Eindruck: „Eher Lösungen mit Alibi-Charakter“.
„Gefühlte Himmelfahrt mit 18 Haltepunkten“
Um es vorwegzunehmen: „Vieles hat sich schon zum Besseren gewendet“, sagen beiden Männer. Etwa das Raserproblem jugendlicher Tuningfans auf der Johannes-Rau-Allee, das dank Einbauten auf der Allee und häufigerer Polizeikontrollen eingedämmt worden ist. Aus der Welt ist es damit aber nicht. Genauso wenig wie die „schlechte Anbindung des Quartiers“ an den ÖPNV über die geplante Linie 392. Oder der in Augen vieler Eltern gefährliche Ersatzhaltepunkt des Schulbusses für die Kinder an der Münsterstraße.
Doch der Reihe nach: Die Anbindung an den ÖPNV über die 392 halten Anja Wunder, ebenfalls eine Mitstreiterin der Initiative, Achim Götte und Wolfgang Kothe für „nicht praktikabel – weder für Anwohner noch für Beschäftigte.“ Für das Trio erscheint eine Busverbindung nach Buer im Norden und in die Innenstadt im Süden wegen der Erreichbarkeit von Geschäften und Behörden sinnvoll, nicht aber eine „gefühlte Himmelfahrt durch Bismarck mit 18 Haltepunkten“, um dann von Consol aus weiter in Richtung der Zentren zu fahren – ein Umweg sondergleichen.
Lieber Schwenk der 380 statt neue Linie 392
Die Gemeinschaft schlägt stattdessen vor, dass die Linie 380 einen Schwenk macht nach Graf Bismarck. Nach Schätzung der Anwohner wäre das eine Fahrschleife von drei Minuten, die weitere Vorteile mit sich brächte. Denn die 380 verkehrt alle 20 Minuten, die neue Linie 392 nur stündlich und das auch nur bis 20 Uhr. Buer und City wären innerhalb einer guten Viertelstunde erreichbar, dazu würde eine Anbindung an zentrale Punkte wie Sport-Paradies, Emscher-Lippe-Halle, Gesamtschule Berger Feld, Musiktheater, Ev. Kliniken und Hauptbahnhof realisiert.
Für Wunder, Götte und Kothe würde so nicht nur „eine attraktivere Anbindung für 300 Anwohner, künftig bis zu 1000 Beschäftigte und zahlreiche Besucher des Hafens und seiner Gastronomie geschaffen“, sondern das Ganze hätte einen ebenso positiven Effekt auf das Image der Stadt – denn die Busse der 380 sollen elektrifiziert werden, also emissionsfrei verkehren. Mehr Strahlkraft könnte ein moderner Stadtteil kaum verbreiten.
Mehr Fahrstreckekönnte Problem für E-Busse sein
Der Einsatz der E-Busse könnte in Augen der Quartiersbürger aber auch ein Hinderungsgrund ihrer Vorschläge sein. Denn mehr Fahrstrecke bedeutet womöglich den Einsatz zusätzlicher Busfahrzeuge, ihren Akkus darf ja im Betrieb nicht der Strom ausgehen. Ein erheblicher Kostenfaktor also in puncto Mensch und Material.
Autorennen direkt vor der Haustür
Die Verwaltung hält indes sich in Sachen ÖPNV bislang noch an den Expertise des Planungsbüros, das der Anbindung an die Linie 380 eine Absage erteilt. Für die Anwohner von Graf Bismarck ist das unverständlich. Sie befürchten einen ähnlich Effekt wie auf der Nord-Süd-Strecke zwischen Buer und Innenstadt: „Keiner fährt von Endpunkt zu Endpunkt mit dem Bus in 36 Minuten, wenn er mit der Straßenbahn die gleiche Strecke in 22 Minuten schaffen kann.“
Stichwort Autorennen und Lärm durch Tuningfans: Beides hat zwar abgenommen, „dafür verlagert sich die Szene“ laut Anwohner „von der Johannes-Rau-Allee in die schnurgeraden Seitenstraßen zu den Häusern: Hamburger Straße, Bremer Straße, Karl-Arnold-Weg“. Beliebt dabei: Donuts – das sind kreisförmige Schleifspuren laut durchdrehender Räder.
„Donuts“ auf dem Boden zeugen von Raser-Stunts
„Weil wir nicht immer die Polizei als Rettungsanker in Anspruch nehmen wollen“, sagen Kothe und Götte, „würden wir das Aufstellen von Blumenkübeln oder andere verkehrsberuhigende Maßnahmen begrüßen. Etwa das Gebiet als „Anlieger-Zone“ auszuweisen.
Die Polizei, so die Sprecher der Interessensgemeinschaft weiter, habe zuletzt während einer Begehung vorgeschlagen, die Autos nicht in den Parkbuchten sondern beispielsweise direkt auf dem Karl-Arnold-Weg abzustellen. Eine wohl aus der Not geborene Idee. „Denn dann könnten die Halter im Schadensfall auch noch drauf zahlen.“ Es reiche doch schon, dass die viel diskutierte Wohn- und Lebensqualität Schaden genommen habe.
Haltepunkt für Schulbus zum Kindergarten verlegen
Der Einsatzbus zur katholischen Grundschule für die Kinder in Graf Bismarck hält an der Münsterstraße und bringt sie dort auch wieder hin. Für die Eltern ist das Anlass zur Sorge wegen des starken Verkehrs dort.
Der Vorschlag der Interessensgemeinschaft: Den Haltepunkt direkt an den Kindergarten im Quartier Graf Bismarck verlegen, um das sichere Ein- und Aussteigen der Kinder zu gewährleisten.