Gelsenkirchen. . Im Rahmen der „Lit.Ruhr“ liest Robert Seethaler im ausverkauften Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen aus „Das Feld“. 29 Tote erinnern ihr Leben.

„Ich bin ein eher wortloser Mensch. Worte sind für mich Hürden, die man ständig überwinden muss.“ Sagt der Mann, der preisgekrönte Bücher schreibt. zum Auftakt der Lesung aus seinem Roman „Das Feld“ im Rahmen der „Lit.Ruhr“ im Hans-Sachs-Haus.

Moderatorin Shelly Kupferberg gelingt es dennoch, mit Robert Seethaler über ihn und seine Arbeit zu sprechen. Zu erfahren, warum der mit einer schweren Sehbehinderung aufgewachsene Österreicher vom Schauspiel zum Schreiben wechselte. Warum er sich mit damit wohler fühlt, obwohl er um jedes Wort ringen muss. Seine Antwort: Die Welt sei für ihn bildhaft, über Gefühlserinnerungen führe ihn der Weg zu den Worten.

29 pralle Leben auf nur 238 Seiten

Tatsächlich zählt Seethaler nicht zu jenen Autoren, deren Werke nach Kilos bemessen werden. Auf nur 238 Seiten breitet er in „Das Feld“ die Essenz des Lebens und Leidens verstorbener Bewohner der imaginären Kleinstadt „Paulstadt“ aus. Dafür lässt er die Toten, die auf dem Friedhof von Paulstadt, dem „Feld“, begraben sind, sich selbst erinnern, zurückschauen auf das, was ihr Leben war. Die Stimmung ist melancholisch, aber es ist eine positive Melancholie.

Liebevoller Blick auf 29 Leben

Autor Robert Seethaler las nicht nur, sondern erläuterte auch seinen Arbeitsstil.
Autor Robert Seethaler las nicht nur, sondern erläuterte auch seinen Arbeitsstil. © Oliver Mengedoht

„Ich hab die Traurigkeit gern“, gesteht Seethaler. „Sie ist die Schwester der Freude, beide gehen Hand in Hand. Traurigkeit ist immer liebevoll,“ ergänzt er. Dieser liebevolle Blick auf das Leben ist in jeder der 29 Geschichten der ehemaligen Dorfbewohner spürbar – vom Kind über den Autohändler, eine 105-Jährige, einen Glücksspielsüchtigen bis hin zum von allen guten Geistern verlassenen Pfarrer, der die Kirche abfackelt.

Die Erinnerungen der Erzählenden sind schlaglichtartig, aber stets anschaulich, berührend und über Details ein Netz knüpfend, das im Leser ein Bild von Paulstadt wachsen lässt.

Lakonisch und mit leisem, hintergründigem Humor

Ein kleiner Junge erzählt, wie er ums Leben kam an seinem geliebten Teich, den er als ewige Ruhestätte wählte. Ein Paar, das einander nur vorübergehend Glück schenkte, schildert das Mit- und Auseinander aus ihren jeweiligen Perspektiven. Ein arabischer Gemüsehändler erinnert sich bar jeden Vorwurfs an den alltäglichen Rassismus, dem er stets mit Gelassenheit begegnete. Lakonisch sinniert er über den Umgang mit religiösen Geboten seiner und der christlichen Religion.

Eine alte Dame erinnert sich – gespickt mit liebe- und humorvollen Nickeligkeiten („ihr Geld hatte sie mit drei Ehen und viel Geduld gemacht“) – an ihre letzte Freundin Henriette, mit der sie im Sanatorium 63 Tage ihres Lebens teilte. Großer Applaus am Ende einer sehr besonderen Lesung aus einem großartigen Roman.

>>>Info: Den Anfang machte 2012 „Der Trafikant“

Robert Seethaler gelang 2012 der Durchbruch als Schriftsteller mit „Der Trafikant“ (erschienen im „Kein & Aber Verlag), der zum Besteller wurde. 2014 folgte der Roman „Ein ganzes Leben“, auch das ein Bestseller.

Das Feld“ ist im Hanser Verlag erschienen und kostet 22 Euro.