Gelsenkirchen. . Vor Schulfahrt: Die Polizei ahndete in Gelsenkirchen Verstöße von Busfahrern. Experten erklären, wie sich die Zeiterfassung manipulieren lässt.

Diese Schulfahrt machte keine Schlagzeilen wegen des Programms: Das Carl-Friedrich-Gauß Gymnasium feierte das 50. Schuljubiläum in Rom. Gereist wurde mit Bussen, organisiert von einem niedersächsischen Reiseunternehmen. Vor der Abreise am 5. Oktober dann der Schock: Die Polizei protokollierte bei einer vorher angekündigten Kontrolle bei 16 von 17 Busfahrern Verstöße gegen die Einhaltung von Lenk- und Ruhezeiten, vier Fahrern wurde die Fahrt untersagt. Wie es dazu kommen konnte, wirft Fragen auf.

Hans Höffmann, Geschäftsführer des zuständigen Reiseveranstalters aus Vechta, gibt an, dass einige Fahrer schlichtweg vergessen hätten, die Ruhezeiten ordnungsgemäß im System zu vermerken. Johannes Krems vom Verband Nordrhein-Westfälischer Omnibusunternehmen, sagt dazu: „Fahrer haben öfter Schwierigkeiten mit dem digitalen Kontrollsystem. Das ist wahnsinnig kompliziert.“

Verstöße gegen die Ruhezeiten fallen bei Kontrollen immer wieder auf. 2017 wurden nach Angaben des Bundesamts für Güterverkehr (BAG) deutschlandweit 1348 Fernbusse kontrolliert, bei 160 gab es Beanstandungen, 98 davon wegen Nichteinhaltung der Ruhezeit. Etwa ein Viertel davon können Krems zufolge auf Probleme der Fahrer im Umgang mit dem System zurückgeführt werden.

Zehn Cent pro Reisendem und Kilometer im Fernbus

Holger Machnik vom örtlichen Busunternehmen Nickel hingegen hat eine andere Vermutung. „Mittlerweile entscheidet nur noch der Preis“, sagt er. Knapp 10 Cent zahlten Reisende laut Bundesamt für Güterverkehr 2017 im Schnitt pro Kilometer im Fernbus. „Das sind Preise, für die können wir nicht mal losfahren“, sagt Machnik.

Die digitale Erfassung der Fahrzeit sei zwar nicht einheitlich geregelt, für Fahrer also manchmal durchaus verwirrend, sie sei allerdings trotzdem leicht zu überlisten.

Polizei liest Bordcomputer der letzten 28 Tage aus

Eine digitale Chipkarte zur Erfassung der Lenk- und Ruhezeiten hat den Fahrtenschreiber bei Bus- und Lkw-Fahrern 2008 abgelöst.
Eine digitale Chipkarte zur Erfassung der Lenk- und Ruhezeiten hat den Fahrtenschreiber bei Bus- und Lkw-Fahrern 2008 abgelöst. © Guido Raith

Bei Fahrtantritt legt der Fahrer eine Karte in ein Lesegerät im Bus. Sie zeichnet die Fahrzeit auf. Fährt der Fahrer länger als erlaubt, könnte er also theoretisch die Karte einfach aus dem Gerät nehmen. Aber „das sind alles Mutmaßungen“, betont Machnik.

„Die Beamten lesen die Bordcomputer und Fahrerkarten der letzten 28 Tage aus“, erklärt Thomas Nowaczyk von der Gelsenkirchener Polizei. Wenn bei einer Kontrolle die Angaben von Karte und Gerät nicht übereinstimmten, sei schwer nachzuvollziehen, wo der Fehler liege. Schließlich würden die Busse von mehreren Fahrern gefahren.

Äußerlich keine Ermüdungserscheinungen erkannt

Ob die Busfahrer vor der Romfahrt also tatsächlich ihre Lenkzeiten überschritten haben oder, wie Höffmann erklärt, lediglich versäumt hatten, sich vom System abzumelden, lässt sich nicht feststellen. Gauß-Schulleiter Frank Kaupert jedenfalls spricht von dem „Eindruck, dass bei den Fahrern äußerlich keine Ermüdungserscheinungen zu erkennen waren“.

Da die Polizei Fernbusse normalerweise nicht vor Abfahrt kontrolliert, rät Krems, sich bei Fernreisen auf örtliche Unternehmen zu verlassen, denn „die haben einen Ruf zu verlieren“. Als Fahrgast sei es unmöglich, Lenkzeiten nachzuvollziehen. „Sie müssen dem Fahrer vertrauen“, sagt Krems.

>>> Applaus für die Polizisten

Da mehrere Fahrer die Fahrt nach Rom nicht antreten durften, musste der Veranstalter Ersatz organisieren. Bis neue Fahrer eintrafen, vergingen zum Teil mehrere Stunden.

Schüler und Eltern reagierten gelassen auf die verspäte Abfahrt. Sie bedankten sich bei den Polizisten für ihre gewissenhafte Arbeit und applaudierten am Ende des Einsatzes.