Gelsenkirchen-Erle. . Vaillant ist am Standort in Gelsenkirchen Geschichte. Der Automobilzulieferer Bleistahl richtet den Firmenkomplex nun auf die Produktion ein.
Ein wenig umgibt die Besuchergruppe die große Leere. Der Ausschuss für Wirtschaftsförderung hat an der Emscherstraße getagt, über Vorlagen, Anfragen und Prüfaufträge für den Haushalt 2019 abgestimmt. Routinearbeit im Sitzungssaal neben der früheren Vaillant-Kantine. Danach geht es auf Erkundungstour mit den neuen Hausherren: Ekkehard und Carola Köhler. Sie arbeiten seit April im freigezogenen Werksstandort an der automobilen Zukunft.
Ein 300 mal 90 Meter großen Hallentrakt
Hochregale verlieren sich in dem weitläufigen, geräumten, 300 mal 90 Meter großen Hallentrakt, einige Schilder und Sicherheitshinweise erinnern noch an die alten Besitzer. Doch Vaillant ist im Gewerbegebiet Geschichte. Die Flaggen vor dem Werkskomplex, der Namenszug am Hauptgebäude, die werbeträchtigen „Vaillant-Hasen“, die Maschinen links und rechts der markierten Geh- und Fahrwege in den Hallen – demontiert und verschwunden. Die Spezialisten für Heizungs und Klimatechnik sowie – in Erle – auch für Wärmepumpen haben im April dicht gemacht, an die 200 Arbeitsplätze gingen verloren. Der Konzern hatte im November 2015 das höchst umstrittene Aus für den Standort angekündigt. In Erle blieb allein ein Service-Bereich des Traditionsunternehmens mit rund 100 Beschäftigten – als Mieter an der Emscherstraße.
In dritter Generation familiengeführtes Unternehmen
Dort wird unter der Regie von Carola Köhler die Produktion aufgebaut. Unübersehbar prangt der Name Bleistahl an der Fassade. Das mittelständische, in dritter Generation familiengeführte Unternehmen aus Wetter, hat 2017 die zehn Hektar große Produktionsstätte und weitere Immobilien gekauft. Am Stammsitz ist das Expansionspotenzial ausgeschöpft.
Der Automobilzulieferer, spezialisiert auf Ventilsitzringe und Ventilführungen für Verbrennungsmotoren, baut einen zweiten deutschen Standort und ein komplett neues Werk auf – mit Pressen, Sinteröfen, Industriemaschinen, mit Prüf- und Entwicklungsabteilung. Mit einem derzeit 25-köpfigen Team wird der Start vorbereitet.
1,5 Millionen Teile pro Tag produziert Bleistahl derzeit
Sitzringe und Ventilführungen sind hoch-anspruchsvolle Produkte für den Motorenbau – und dennoch Massenware. 1,5 Millionen Teile pro Tag produziert Bleistahl derzeit, Kunden sind nahezu alle großen Automobilproduzenten weltweit. Die Köhlers glauben fest an die Zukunftsfähigkeit ihrer Produkte: Verbrennungsmotoren, ist Ekkehard Köhler, der geschäftsführende Vorstand überzeugt, werden noch „20 bis 40 Jahre“ maßgeblich Fahrzeuge antreiben. Bei Bleistahl will man sich dennoch breiter aufstellen. Auch der Entwicklung neuer Produkte soll das neue Werk dienen.
Mitte 2019 sollen hier zwei Ofenlinien laufen
Ihre großen Pläne gehen die Köhlers, vor Ort unterstützt von Markus Gödecke, in Etappen an: Zu sehen in der alten Vaillant-Halle Nummer 5, einem eher kleineren, nun frisch gestrichenen Werkskomplex. Hier vollzieht sich aktuell der Aufbau der Pilotlinie. Die neuen Maschinen haben erste Probeläufe hinter sich. Mitte 2019 sollen hier zwei Ofenlinien laufen, 50 Mitarbeiter produzieren. Phase zwei des Ausbaus soll bis 2023 laufen, Neue Produktlinien sollen danach realisiert werden. 15 Millionen Euro investiert Bleistahl in Phase eins. Einen ersten Eindruck von der entstehenden „Werkstofffabrik“ bekommen die Besucher. „Prozessgeheimnisse“, sagen die Bleistahlmacher mit einem Lächeln, „verraten wir nicht. Ansonsten können sie alles sehen.“
>> Werke und 800 Mitarbeiter weltweit
Bleistahl hat seinen Stammsitz in Wetter an der Ruhr. Mit Werken ist das Unternehmen auch in den USA, Brasilien, China oder Südafrika vertreten. Mit 800 Mitarbeitern(davon etwa 500 in Deutschland) erwirtschaftete Bleistahl 2017 rund 140 Millionen Euro Umsatz. Allein 360 Millionen hochwarmfeste Ventilsitzringe wurden produziert. Ekkehard und Carola Köhler führen Bleistahl in dritter Generation. Drei Töchter bereiten sich auf den Firmeneinstieg vor.