Gelsenkirchen. . „Kluge Köpfe für Gelsenkirchen“ will beim Übergang von der Schule in den Job unterstützen. Stadt, Arbeitsagentur und Arbeitgeber sind Partner.
„Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, junge Menschen in Ausbildung zu bekommen.“ Für Michael Grütering, den Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände Emscher-Lippe, ist der Übergang Schule/Beruf der entscheidende Schlüssel bei der Bekämpfung von Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit. „Dieser Übergang muss optimiert werden“, sagt er und hat deshalb lange für ein Projekt gekämpft, das jetzt in den Startlöchern steht: „Kluge Köpfe für Gelsenkirchen“.
Stiftung Pro Ausbildung als Partner
Hierbei sitzen die Arbeitgeberverbände zusammen mit der Stadt und der Agentur für Arbeit in einem Boot. Als Partner konnte zudem die Stiftung Pro Ausbildung gewonnen werden, die seit 18 Jahren Berufsorientierungsprojekte durchführt und eng mit Unternehmen in der Region sowie Ministerien in Düsseldorf zusammenarbeitet. Das Ziel: an einem Strang ziehen, um Jugendliche während der Schulzeit eine optimale Berufsorientierung und -vorbereitung zu ermöglichen.
Berufsberater werden weiter geschult
„Es gibt in Gelsenkirchen leider eine nennenswerte Anzahl an Menschen ohne Perspektive“, sagt Stadträtin Annette Berg. „Deshalb ist es mir sehr wichtig, dieses Projekt jetzt umzusetzen.“ Auch Marcus Kowalczyk, Leiter der Arbeitsagentur, spricht von einer „ausgesprochen guten Idee“. Zwar seien schon lange Berufsberater in den Schulen unterwegs, aber: „Wir kriegen nicht diese inhaltliche Tiefe hin.“
Drittes Modul der Projektarbeit
Ein drittes Modul der Projektarbeit ist der Berufswahlpass NRW. Das ist ein Ordner, der Schülerinnen und Schülern bei den Stationen ihrer Berufsorientierung ab der achten Klasse bis zum Schulabschluss begleitet. Bereits im Rahmen der Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“ (KAoA) wird sichergestellt, dass der Pass in der Schule vorrätig ist.
Jetzt setzt die Arbeit der „Klugen Köpfe“ an: So sollen die Schüler zum Beispiel für den richtigen Umgang mit der Dokumentation von Zeugnissen und Zertifikaten und bisherigen Aktivitäten sensibilisiert werden. Dies geschieht bei kurzen und pragmatischen Workshops in den Klassen. Die Eltern werden über bestimmte Veranstaltungen mit eingebunden.
Diese Tiefe soll es ab diesem Schuljahr geben. „Berufsberater wie ich werden weiter geschult“, sagt Jannine Bakenecker. Neben Info-Veranstaltungen im Unterricht vor allem für die achten und neunten Klassen soll es bereits kurzfristig erste Arbeitsgemeinschaften (AG) an interessierten Gelsenkirchener Schulen geben. „Die Teilnahme ist zwar freiwillig, aber es ist ein erster Schritt“, so Bernd Zenker-Broekmann. Er leitet die kommunale Koordinierung beim Übergang Schule/Beruf. Über die Möglichkeiten seien alle weiterführenden Schulen in Gelsenkirchen informiert.
Höherer Stellenwert für Berufsorientierung
„Wir fangen jetzt mit den AGs an“, so Grütering. „Es ist ein Anstoß. Aber wir sind im Hintergrund immer erreichbar.“ Das mittel- bis langfristige Ziel des Projekts sei es, das Thema Berufsorientierung soweit in den Fokus zu rücken, dass es an Schulen einen höheren Stellenwert bekommt. Grütering fordert bestenfalls ein eigenes Unterrichtsfach bereits ab Klasse 5 – „eine Stunde pro Woche, das wäre gut“. Annette Berg pflichtet dem bei, beklagt, dass Schülern oft eine Perspektive fehle: „Es wird immer nur kurz gelernt auf die nächste Note hin.“
Junge Menschen stärker an die Hand nehmen
Einen weiteren Baustein realisiert die Stiftung mit der Studienberatung der Westfälischen Hochschule und anderen Unis. Interessierte Schüler bewegen sich eine Woche auf dem Campus und lernen individuell ein Studienfach kennen. Im Anschluss erleben sie bei einem Praktikum den Berufsalltag eines Absolventen dieses Studienganges.
Menschen beim Übergang von der Schule in den Beruf stärker an die Hand zu nehmen, sei auch der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt geschuldet. Grütering: „Die Vielfalt der Möglichkeiten hat sich geändert. Da besteht ein Informationsdefizit.“ Auch Gymnasien müssten sich angesichts der immer größeren Zahl an Abiturienten umstellen, sich „öffnen fürs Handwerk“. Auf ein spezielles Klientel will sich das Projekt nicht konzentrieren. „Wir müssen ganzheitlich denken“, so Zenker-Broekmann. „Wenn wir vorwiegend auf bestimmte Gruppen gucken, laufen wir Gefahr, andere aus den Augen zu verlieren.“
Keine exklusive Gelsenkirchener Idee
Einig sind sich alle Beteiligten aber, dass in Gelsenkirchen eine Gruppe junger Menschen so stark vertreten ist, wie kaum woanders: Durch die hohe Langzeitarbeitslosigkeit in der Stadt gibt es Schüler, deren Eltern seit Jahren zu Hause sind, ihnen das Zur-Arbeit-Gehen also nicht vorleben. Aber: „Die meisten Eltern wollen ja, dass es ihren Kindern einmal besser geht“, so Marcus Kowalczyk. Das gelte letztlich auch für diese Gruppe.
Was da als Idee entstanden ist und in der Praxis gerade entsteht, ist keine exklusive Gelsenkirchener Idee. Michael Grütering kennt das Vorgehen als „Kompetenzzentrum“ aus Düsseldorf. Vom dortigen Erfolg überzeugt ließ er nicht locker, dies in Gelsenkirchen umzusetzen. Zenker-Broekmann pflichtet ihm bei: „Düsseldorf hat früh angefangen, da sehr strukturiert zu arbeiten.“