Gelsenkirchen. . Bis zu 140 stationäre Pflegeplätze in Senioreneinrichtungen entfallen wegen der Einzelzimmerquote. Das sind fünf Prozent der Plätze.
15 Jahre nach der ersten Ankündigung der Einzelzimmerquote für Seniorenheime gilt sie nun wirklich. Und noch immer haben nicht alle Häuser die Quote erfüllt. Landesweit erreicht zum Stichtag 1. August jedes vierte Heim die Quote nicht, 3,1 Prozent der stationären Plätze entfallen deswegen. Auch in Gelsenkirchen haben es sieben von 26 Einrichtungen, in denen Senioren stationär gepflegt werden, nicht geschafft und blieben unter der Vorgabe von mindestens 80 Prozent der Plätze in Einzelzimmern.
Die meisten sind längst freigezogen
Rund 2600 stationäre Pflegeplätze stehen Senioren in der Stadt zur Verfügung. Wieviele genau belegt sind, kann die Stadt tagesaktuell nicht sagen. Die Fluktuation sei zu stark, um den Belegungsstand tagesaktuell nachzuhalten, der Aufwand zu groß. Nominell sind es„130 bis 140“ Plätze, die wegen der nicht erfüllten Quote derzeit in Gelsenkirchen eine Wiederbelegungssperre bekommen haben. Das sind etwa fünf Prozent der Plätze, die es 2017 noch gab. „Aber das heißt nicht, dass irgendjemand ein Heim verlassen muss. Es bedeutet nur, dass die Plätze nicht neu belegt werden dürfen, wenn sie frei werden,“ beruhigt Sozialdezernent Luidger Wolterhoff.
Awo plant Neubau für seine rund 80 entfallenen Plätze
Und es bedeute auch nicht, dass diese 130 Plätze derzeit belegt sind. „Viele Häuser haben ja schon vorsorglich Plätze in Doppelzimmern frei gehalten“, so Wolterhoff weiter. Eine 100-prozentige Auslastung das ganze Jahr über sei gar nicht möglich mangels Planbarkeit.
Größter Träger von Senioreneinrichtungen in Gelsenkirchen ist die Arbeiterwohlfahrt (Awo). Deren Haus an der Grenzstraße ist mit dem Umbau fertig, erfüllt die Quote. In den anderen Einrichtungen stehen aber noch Umbauten an. „Bei der Awo entfallen durch die quotenbedingten Umbauten in Gelsenkirchen etwa 80 Plätze. Die wollen wir aber auch künftig als Awo anbieten, in einem Neubau,“ so Werner Paul, Leiter des Hauses in Horst. Bis der Neubau steht, dürften noch drei Jahre ins Land gehen. Die gesperrten Plätze sind bereits freigezogen, vorsorglich vor dem Umbaustart.
In städtischen Heimen ist die Quote erfüllt
In den vier städtischen Seniorenheimen und auch den von St. Augustinus betriebenen stimmt der Anteil der Einzelzimmer bereits. Bei der Caritas gibt es nur im St. Anna eine Sperre für zwölf Plätze, von denen vier für Kurzzeitpflege genutzt werden dürfen. Diese Sonderregelung hat das Land wegen des hohen Bedarfs an Kurzzeitpflegeplätzen noch nachgelegt. Die anderen beiden Caritas-Häuser erfüllen die Quote bereits. „Aber wir merken, dass der Bedarf an stationärer Pflege steigt,“ erklärt Caritasdirektor Peter Spannenkrebs. Die ambulanten Dienste könnten die Nachfrage nicht so bedienen, wie gewünscht. „Deshalb ist die Anfrage nach stationärer Pflege groß“, so Spannenkrebs. Werner Paul hat ähnliche Erfahrungen gemacht: „Wir kommen bei den vielen Anfragen kaum nach.“
„Jeder, der einen Platz braucht, bekommt auch einen“
Luidger Wolterhoff sieht keinen echten Engpass. „Jeder, der einen Pflegeplatz braucht, bekommt einen hier. Vielleicht nicht im gewünschten Haus, aber in der Stadt,“ verspricht Wolterhoff. Die Bedarfsplanung für stationäre Pflege wird jährlich aktualisiert, ist aber von vielen Faktoren abhängig. Noch schwerer planbar, so Wolterhoff, sei die Kurzzeitpflege.
Stolz könne Gelsenkirchen auf die große Zahl an Plätzen in kleinen Wohngemeinschaften sein: Ein Zehntel der stationären Plätze für Senioren – 260 – sei hier in solchen kleinen Gruppen angesiedelt.
>>>Info: Neue Häuser dürfen maximal 80 Betten haben
Das Wohn- und Teilhabegesetz schreibt vor, dass ab 1. August 2018 in bestehenden Senioreneinrichtungen nur 20 Prozent der Plätze in Doppelzimmern sein dürfen.
Betreiber klagen über die zu lange unklare Finanzierung der Umbauten. Neue Häuser dürfen höchstens 80 Betten haben. Vor Ort gibt es drei Neubauten mit 100 Prozent Einzelzimmern.
Kommentar: Stiefkind Kurzzeitpflege
Die Durchsetzung der Einzelzimmerquote ist richtig. Dass auch in Gelsenkirchen die Erfüllung bis heute nicht geklappt hat, ist bitter für Senioren, die einen stationären Platz brauchen. Und deren Zahl steigt gerade, glaubt man den Leitern der Einrichtungen. Wegen Engpässen in der ambulanten Pflege – da beißt sich die Katze in den Schwanz.
Was bei all dem zu wenig im Blickpunkt ist: Es fehlen Kurzzeitpflegeplätze. 41 Plätze mehr dank Sonderregel für gesperrte Dauerplätze: Das sind Tropfen auf den heißen Stein. Wer seine Liebsten daheim pflegt, muss auch mal selbst krank sein dürfen oder Urlaub machen. Und den genießen kann nur, wer den zu Pflegenden gut versorgt weiß. Auch wenn sich der Bedarf schwer planen lässt: Es braucht mehr garantierte Kurzzeitplätze in der Stadt.