Gelsenkirchen. . Appelle, Botschaften und Forderungen an die Konzernleitung begleiten Betriebsversammlung zum geplanten Produktionsende im ZF-Werk Gelsenkirchen.
Markus Spies ist einer von denen, die es treffen könnte zum Jahresende, wenn nach den Plänen der ZF-Geschäftsführung die Produktion im Werk Gelsenkirchen eingestellt wird. Mittwoch hat er sich eingereiht in die lange Schlange der Kollegen, die sich zum kurzen Protestmarsch durch Schalke aufmachen.
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Die Betriebsversammlung hat die Belegschaft gerade hinter sich gebracht. „Instandhaltung“ steht auf Spies’ Arbeitskluft, das alte TRW-Logo ziert noch die Brusttasche. Wütend, frustriert, enttäuscht auch kämpferisch sei die Stimmung in der Halle gewesen, sagt Spies. All das spiegelt sich auch bei ihm wider. „Es sind Versprechungen gemacht worden, die nicht eingehalten werden. Dass das Lenkungsgeschäft schwer ist, wissen wir seit Jahrzehnten“, aber das, was nun passiere, sei „ein hausgemachtes Problem, weil das Management seine Aufgaben nicht gemacht hat.“ Hinnehmen will Spies das nicht: „Wir werden um jeden Arbeitsplatz und um jede Ersatzfertigung in Schalke kämpfen“, kündigt er an und trifft die Stimmungslage. Wie Spies sehen es wohl (fast) alle an diesem Vormittag.
Betriebsrat-Delegation aus Friedrichshafen
Betriebsrat-Delegationen von anderen ZF-Werken, IG Metaller, Politiker, der Industrie- und Sozialpfarrer Dieter Heisig und Oberbürgermeister Frank Baranowski reden oder sind gefragte Gesprächspartner. Zahlreiche Medien sind vor Ort. „Das ist kein Thema, das nur Gelsenkirchen betrifft. Wenn alle Arbeitsplätze auf dem Prüfstand stehen, löst das bei den Beschäftigten Sorgen aus“, betont Achim Dietrich, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende des weltweit aufgestellten Friedrichshafener ZF-Konzerns mit über 146 000 Mitarbeitern.Immer wieder werde man bei ZF mit dem Druck konfrontiert, dass Produktion an billigere Standorte in Polen oder der Slowakei verlegt werden könne – für Dietrich ist das der falsche Weg: „Wir haben Wachstumsphasen, wo Werke aus allen Nähten platzen. Da ist es mir ein völliges Rätsel, wie man vorhandene Ressourcen aufgeben kann, wo uns gleichzeitig in Osteuropa die Fachkräfte fehlen. Wenn es um Innovation und neue Produkte geht, müssen die hier in Deutschland anlaufen. Das ist unserer Stärke.“
Beifall für IG-Metall Bezirksleiter Knut Giesler
Der Appell aus der Belegschaft, von der IG-Metall, von Betriebsräten, von Baranowski ist Mittwoch deutlich und eindeutig. Er geht Richtung ZF-Chefetage: „Überdenken sie die Entscheidung. Führen sie Gespräche, nehmen sie ihre Verantwortung wahr“, formulieren gleich mehrere Redner. Knut Giesler, Bezirkseiter der IG Metall NRW, bringt es so auf den Punkt und bekommt dafür viel Beifall: „Diese Entscheidung ist eine Fehlentscheidung, sie ist unverantwortlich und muss revidiert werden. Wer Fehler macht, ist in Ordnung. Wer sie korrigiert, ist intelligent. Und das erwarten wir auch vom ZF-Management.“Für Dietrich geht es „grundsätzlich um die Auseinandersetzung, ob der Mensch zuerst kommt im ZF-Konzern, oder die Rendite“. 500 Beschäftigte, stellt der OB fest, können und dürfen „uns nicht egal sein. Die kann man nicht mal eben vor die Tür setzen. Das macht man nicht, vor allem nicht als deutsches Stiftungsunternehmen.“
Ende 2018 soll die Lenkungsfertigung an der Freiligrathstraße enden. 350 Beschäftigte sind vom Produktionsaus im Werk des Automobilzulieferers direkt betroffen. Am Standort geht man davon aus, dass der gesamte Betrieb mit über 500 Mitarbeitern zur Disposition steht. Das Angebot der Konzernleitung, Betroffenen zu helfen, Stellen an anderen ZF-Standorten zu finden, empfindet Markus Spies, der Mann aus der Instandhaltung als Hohn: „Wir wollen hier arbeiten. Wir wollen in Schalke arbeiten.“
Stadtrat Gelsenkirchen soll Resolution verabschieden
In ihrer Resolution haben die Beschäftigten Mittwoch den ZF-Vorstand aufgefordert, seinen Schließungsbeschluss zu revidieren und in eine verlässliche Zukunft in Schalke zu investieren. Eine gemeinsame Resolution des Rates der Stadt zu ZF soll am Donnerstag folgen. Oberbürgermeister Frank Baranowski rechnet mit einer „eindeutigen und unmissverständlichen Positionierung“ beim Versuch, die Arbeitsplätze in Gelsenkirchen zu erhalten.
Solidarität und Mahnwachen hat es auch in der Vergangenheit, zu TRW-Zeiten gegeben, als Finanzinvestoren die Geschicke in Schalke-Nord leiteten und der Standort wirtschaftlich kriselte. Auch damals hatte die Belegschaft für ihr Werk gekämpft und auch Härten dafür hingenommen – über Jahre verzichtete sie auf 14 Prozent des Lohns. Mittwoch bei der Betriebsversammlung erinnert der OB noch einmal an die Zeiten vor der Übernahme durch ZF 2015.
Vorstoß der SPD-Landtagsfraktion
Von der MLPD über die Linke bis zur CDU reichten in den letzten Tagen die Solidaritätsadressen. Mittwoch reihen sich AUF-Vertreter in den Protestzug ein, Linke verteilen Flugblätter, der SPD-Landtagsabgeordnete Sebastian Watermeier ist vor Ort. Die SPD-Fraktion im Landtag wollte den „Industriestandort ZF-TRW in Gelsenkirchen“ diese Woche gar zum Thema einer Aktuellen Stunde im Landtag machen und generell wissen, wie sich die Landesregierung industriepolitisch positioniert. Das Ansinnen wurde von der Mitte-Rechts-Koalition abgelehnt.
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