Gelsenkirchen. . Nach Flucht und Integrationskurs suchen Zuwanderer Jobs. Wie schwierig das ist, wurde bei einer Podiumsdiskussion im Wissenschaftspark deutlich.
Das Thema, das rund 20 Besucher zur Podiumsdiskussion in den Wissenschaftspark führt, ist äußerst komplex: In der Reihe „Gelsenkirchener Gespräche zu Migration und Arbeit“ geht es am Montag um die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen und Zugewanderten.
Gemeinsames Projekt von ISG, FIAP und IAT
Die Ausgangslage: Für die Bewältigung von Zuwanderung ist die Integration in den lokalen Arbeitsmarkt ein wichtiger Faktor. Sensibilisierung und Umgang mit kulturellen Differenzen im Kontext spezifischer Branchen-, Berufs- und Arbeitskulturen sind Erfolgsfaktoren im Integrationsprozess. Das Institut für Stadtgeschichte führt mit dem Forschungsinstitut für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention (FIAP) und dem Institut für Arbeit und Technik (IAT) ein Projekt (Info-Box) zu Fragen der Arbeitsmarktintegration durch.
Zwei Ausgangslagen, zwei Podiumsdiskussionen
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Zwei Podiumsdiskussionen beleuchten jeweils die Perspektiven arbeitssuchender Flüchtlinge auf der einen sowie die Situation der Arbeitgeber auf der anderen Seite. Der Fokus der ersten von Silke Steinberg (FIAP) moderierten Runde liegt auf der individuellen Perspektive Geflüchteter. Die Erfahrungen von Clément Matweta, der vor 21 Jahren aus dem Kongo kam, und der Syrer Samer Heiba, seit zwei Jahren hier, belegen, wie schwierig es trotz eigener Ausbildungsbiografie ist, im deutschen Arbeitsmarktsystem Fuß zu fassen. Matweta, von Haus aus Elektro-Ingenieur, arbeitet heute als Sprachmittler in Essen. Er hat seinen Weg gemacht – in Eigenregie. „Ich habe mich durchgeboxt“, sagt er. „Meine Integration ist meine eigene Leistung.“ Und er sagt: „Unsere Ausbildung entspricht nicht dem deutschen Standard.“ Eine Erkenntnis, die Samed Heiba inzwischen teilt.
„Da musst du hochdeutsch sprechen“
Der 34-Jährige ist Banker und hat ein abgeschlossenes Bachelor-Studium in englischer Literatur. Ein Praktikum an einer Bank hat er schon absolviert. „Das war super. Aber meine Sprache war nicht gut genug. Da musst du hochdeutsch sprechen.“ Und noch mal eine dreijährige Ausbildung machen? Zu lang. Dann hörte Heiba, dass Lehrer gesucht werden. Er hat sich in Bochum beworben – ohne Erfolg. Ihm fehlt die Pädagogik. Er sagt: „Wir sind vielleicht ungeduldig. Aber wir sind eben voller Energie.“
Wenn der Gesellenbrief fehlt
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Die Expertinnen auf dem Podium kennen die Probleme — auf beiden Seiten. Mona Hinrichs etwa, die Willkommenslotsin der Kreisshandwerkerschaft. „Geflüchtete sind motiviert und wollen arbeiten. Trotzdem können sie nicht ins System integriert werden, weil ihnen der Gesellenbrief fehlt. Viele haben daher in den sauren Apfel gebissen und eine Lehre begonnen.“ Noch problematischer sei es bei Älteren, die in der Heimat schon viele Jahre gearbeitet haben.
Von Potenzialen der Menschen ausgehen
Ein Manko spricht Claudia Quirrenbach, Geschäftsführerin von Revier-Ressourcen, an. „Es gibt kaum Förderprogramme, die von den Potenzialen der Menschen ausgehen.“ Und nennt als Beispiel den „Taxi fahrenden Atomphysiker“. Eine Frau aus den Zuhörerreihen meint: „Es müssen neue Wege gefunden werden – auch für abgehängte deutsche Jugendliche ohne Arbeit.“ Einig ist man sich in der Einschätzung von Clément Matweta: „Projekte wie hier sind wie kleine Tröpfchen, die irgendwann ein Ozean werden können.“
>>> Info: Gefördertes Projekt Selma
Der Projektname Selma steht für Selektivität und Mehrdeutigkeit in Arbeitskulturen. Selma ist ein transdisziplinäres Forschungsprojekt für potenzialorientierte Integrationsstrategien von Geflüchteten in die Arbeitswelt.
Das Projekt soll beim Aufbau eines Kompetenzzentrums für Arbeitsintegration von Flüchtlingen im Wissenschaftspark helfen. Es wird vom Wissenschaftsministerium NRW gefördert.