Rotthausen. . Warum haben in Gelsenkirchen so viele Jugendliche im letzten Jahr ihre Schule ohne Abschluss verlassen. Eine Analyse im Bildungsausschuss.

  • Mehr als die Hälfte der Abgänger ohne Abschluss in Gelsenkirchen haben keinen deutschen Pass
  • 2016 waren erstmals auch viele Gesamtschüler und Hauptschüler unter jenen ohne Abschluss
  • Sozialdienst Schule soll hohe Fehlzeiten künftig früh melden, um Schulausstieg zu verhindern

Warum gibt es in Gelsenkirchen so viele Schulabgänger ohne Abschluss und wer sind diese jungen Menschen? Antworten darauf suchte die Verwaltung in der Sitzung des Bildungsausschusses am gestrigen Donnerstag zu geben.

378 von 3197 Schulabgängern hatten 2016 keinen Hauptschul- oder höheren Abschluss. Wobei 161 Kinder davon sehr wohl einen Förderschulabschluss hatten. „Dass die Statistiker das nicht einrechnen, obwohl der Abschluss die Türen genauso für Ausbildungen öffnet, kann ich nicht nachvollziehen,“ machte die Elternvertreterin Karin Brachwitz ihrem Unmut im Ausschuss Luft. Die Ausschussmitglieder folgten ihrem Einwand und sprachen fortan über eine zwar niedrigere Quote, aber dennoch zu hohe Zahl. Was in der NRW-Statistik ebenfalls nicht berücksichtigt ist: an der Volkshochschule nachgeholte Abschlüsse und die Tatsache, dass jedes vierte Förderschulkind nach Gelsenkirchen pendelt.

Mehr Abgänger ohne deutschen Pass

Eigentlich erntet Gelsenkirchen immer wieder viel Lob für seine vielseitigen Bildungsangebote. Zuletzt erneut die Auszeichnung als „Learning City“. Im Bild Werner Rybarski, Leiter des Agenda-Büros, Oberbürgermeister Frank Baranowski und Stadträtin Annette Berg. .
Eigentlich erntet Gelsenkirchen immer wieder viel Lob für seine vielseitigen Bildungsangebote. Zuletzt erneut die Auszeichnung als „Learning City“. Im Bild Werner Rybarski, Leiter des Agenda-Büros, Oberbürgermeister Frank Baranowski und Stadträtin Annette Berg. . © Unesco

Bildungsplanerin Anna Maibaum stellte in ihrer Analyse verschiedene Ursachen vor, die zur hohen Gelsenkirchener Zahl beitragen (können). So waren unter jenen ohne Abschluss im Jahr 2011 noch zwei Drittel Deutsche. 2016 waren es 196 ohne deutschen Pass und 182 mit. Wie hoch der Anteil der Förderschüler mit Abschluss ohne deutschen Pass war, sei nicht nachprüfbar, bedauerte die Sozialwissenschaftlerin. Der deutsche Pass ist das einzige Herkunfts-Kriterium, dass IT NRW erfasst und somit nachvollziehbar ist.

Der hohe Anteil Nicht-Deutscher ohne Abschluss verweist jedoch auf mögliche Ursachen des Anstiegs. Es sei sehr wahrscheinlich, dass es vielen an Deutschkenntnissen mangelte, mancher musste hier als Jugendlicher gar erst alphabetisiert werden. Da reichte die Zeit bis zum Ende der Schulpflicht nicht für einen Abschluss.

Viele erst als Jugendliche zugewandert

Ein weiteres Indiz: 2016 war erstmals der Anteil an Haupt- und Gesamtschülern bei Abgängern ohne Abschluss sehr hoch. 61 verließen die Gesamt-, 129 die Haupt-, 17 die Realschule und zehn das Gymnasium ohne allgemeinbildenden Abschluss – möglicherweise Flüchtlinge und Zuwanderer aus Internationalen Förderklassen.

Auch Schulwechsel nach der siebten Klasse sieht Maibaum als eine denkbare Ursache für verfehlte Abschlüsse, ebenso wie Sitzenbleiben und hohe Fehlzeiten. Letztere hält auch Referatsleiter Wolfgang Schreck für eine gravierende Ursache: „Wir wollen mit dem Sozialdienst Schule ein schnelleres Meldesystem einrichten für Kinder mit vielen Fehlstunden. Das ist oft der Einstieg zum Ausstieg aus der Schule. Duisburg hat ein sehr gutes Frühwarnsystem dafür. Das ist sehr aufwendig. Aber es lohnt sich.“ Dezernentin Annette Berg blickte nach vorn und betonte: „Jedes Kind muss bei uns einen Abschluss erreichen können, das ist unser Auftrag. Wir müssen Potential fördern, schon in der frühkindlichen Bildung, dafür sorgen, dass Kinder schulfähig sind und bleiben.“