Gelsenkirchen. . Beim Schlaganfall ist jede Sekunde wichtig. In Barbara Wighardts Fall haben alle alles richtig gemacht. Wie genau, lesen Sie hier.
- Ehemann Torsten ist bei ihr, erkennt sofort den Ernst der Lage und ruft den Rettungsdienst.
- Die Spezialabteilung der Evangelischen Kliniken liegt in der Nachbarschaft, Retter reagieren optimal.
- Binnen einer Stunde die Durchblutung im Gehirn wieder gesichert dank doppelter Therapie.
Torsten Wighardt hat die Szene noch genau vor Augen, die sich am 24. März 2017 in seinem Wohnzimmer abspielte. 18.15 Uhr, seine Frau Barbara (60) kommt vom Blumengießen vom Balkon ins Zimmer und sackt plötzlich zusammen. Er fängt sie auf – und entdeckt mit Schrecken, dass sie ihre rechte Körperhälfte nicht bewegen und nicht sprechen kann, ein Mundwinkel hängt schlaff herab. Sofort ruft er die Feuerwehr. Um 18.20 Uhr ist der Rettungsdienst da: Verdacht auf Schlaganfall, bestätigen sie. Die Retter informieren die Spezialabteilung in den Evangelischen Kliniken (EvK), dort wird alles vorbereitet.
Eingespieltes Expertenteam am EvK
Um 18.30 Uhr sind die Wighardts in der neurologischen Notaufnahme, wo alles sehr schnell geht: Zugang legen, EKG schreiben, Computertomographie, um Blutungen im Gehirn auszuschließen – die Infusion zur Auflösung des Gerinnsels kann angehängt werden. Das ist seit Jahren der Standard. Allerdings belässt es das Expertenteam der „Stroke Unit“, der Schlaganfall-Spezialabteilung, nicht dabei. Eine Angiographie (Gefäßuntersuchung) hat gezeigt, dass ein vorgeschaltetes Halsgefäß stark verengt ist, große Gefäße verschlossen sind. „Wir wissen aus neuesten Forschungsergebnissen, dass in solchen Fällen Infusionen die Durchblutung nicht vollständig wiederherstellen können“, erklärt Prof. Claus Haase, Chefarzt der Neurologie.
Gerinnsel mit Katheter und Vakuum entfernt
Während die Infusion läuft, wird ein Eingriff vorbereitet. Dr. Ulf Laufer, Chefarzt der interventionellen Radiologie, der mit Hilfe eines Katheters das verbleibende Gerinnsel entfernen wird, ist alarmiert, der Neurologe ist vor Ort, Anästhesist und Assistenten – es braucht ein großes, interdisziplinäres Team für diesen Eingriff. Binnen 30 Minuten ist die Leiste punktiert, der zwei Meter lange Katheter wird von hier aus über den Hals ins Hirn geschoben. Mit Drahtgeflecht und Vakuum wird der Stopfen entfernt. Um Mitternacht ist klar: Barbara Wighardt hat es überstanden. Am Tag drauf bereits werden Sprache und Bewegung trainiert.
Binnen einem Jahr kann sich die Sprache verbessern
Seit fünf Tagen ist Barbara Wighardt nun aus der Reha zurück. Sie spricht noch ein wenig zögerlich, fühlt sich schwächer als ihr lieb ist. Sie ist eine Macherin, sich helfen lassen zu müssen bei einigen Dingen, das fällt ihr schwer. Dabei ist ihr klar: Sie hat wirklich Glück gehabt. Das Schlimmste ist überstanden, sie hat keine schweren bleibenden Schäden.
Ursache war wohl ein Riss in einer Gefäßwand
Ein Rückfall ist unwahrscheinlich, weil als Ursache ein Riss in einer Gefäßwand ausgemacht wurde. Die Sprache kann sich mit logopädischer Unterstützung im ersten Jahr danach noch stark verbessern. Und auch das seelische Tief nach dem Schlaganfall sei nicht selten und überwindbar, verspricht Prof. Claus Haase, Chefarzt der Neurologie am EvK und somit auch der Stroke Unit, der einzigen in der Stadt.
„Glück gehabt“ stimmt eigentlich auch nur zum Teil: Alle haben auch alles richtig gemacht. Ihr Mann, die Retter, die Klinik. Beim Schlaganfall spielt schnelles, richtiges Handeln die Hauptrolle.
250 Schlaganfalltherapien im Jahr
>>> 250 Schlaganfallpatienten bekamen in der Stroke Unit im EvK 2016 auflösende Therapien, 83 brauchten zudem eine mechanische Thrombektomie per Stent und Katheter (siehe Bericht).
>>> Bei Bedarf arbeitet das EvK mit Spezialkliniken in Recklinghausen und Bottrop zusammen.
>>> Symptome bei Schlaganfall sind Lähmung, akutes einseitiges Schwäche- oder Taubheitsgefühl, Seh- oder Sprachstörungen, Schwindel, starker Kopfschmerz.