gelsenkirchen-Buer. . St. Urbanus ist zwar die größte deutsche Pfarrei, anonym ist sie aber nicht: Propst Markus Pottbäcker weist die ZdK-Kritik entsprechend zurück.
- Propst Markus Pottbäcker weist die ZdK-Kritik an Großpfarreien als fahrlässig zurück
- Gläubige fühlten sich in St. Urbanus durchaus wohl
- Alte Strukturen mit vielen Kirchen seien nicht mehr überlebensfähig
Zu groß, zu anonym: Fusionierte katholische Großpfarreien seien nicht zu überblicken „und können Gläubigen keine geistliche Heimat mehr bieten“, kritisiert Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), die Umstrukturierung im Ruhrgebiet. Er trifft damit St. Urbanus in Buer, mit einst 42 000 und nun rund 35 000 Gläubigen immer noch die größte Pfarrei Deutschlands. Steuert die Kirche vor Ort mit ihrem Priestermangel und den drohenden Gebäude-Schließungen tatsächlich auf eine Katastrophe zu? Darüber sprach die WAZ mit Stadtdechant und Propst Markus Pottbäcker und Pfarrgemeinderats-Chef Martin Verfürth.
Umbruch ja, Katastrophe nein, wehrt sich Pottbäcker gegen Sternbergs „ärgerliche“ Sichtweise, wie dieser sie gestern im überregionalen Politik-Teil der WAZ äußerte. „Ich erlebe St. Urbanus nicht als Ort, wo sich keiner mehr zu Hause fühlt. Diese Darstellung unterschlägt, dass die Menschen auf ihre eigene Weise Glauben leben. Jeden Tag werden hier etwa 80 kleine Kerzen entzündet.“
„Alte Strukturen sind nicht mehr überlebensfähig“
Die Kritik an den Gemeinde-Fusionen deute auf den Wunsch hin, die alten Strukturen mit ihren vielen Kirchen zu erhalten. „Das ZdK verschließt sich damit der eigentlichen Frage, wie wir in dieser Zeit Christen sein wollen. Gott will uns zu kreativen Lösungen herausfordern. Die alten Strukturen sind dagegen nicht mehr zukunftsfähig“, wirft der St.-Urbanus-Propst Sternheim „fahrlässige Wirklichkeitsverzerrung“ vor.
Über die Abschaffung des Zölibats und die Frauen-Ordination lasse sich streiten, diese Punkte beträfen aber nicht den Kern des Glaubens – genauso wenig wie die Frage der Immobilien. „Wir leben in einer Zeit größtmöglicher Mobilität, da ist die Überwindung weiterer Wege für Gottesdienstbesuche möglich, zur Not auch mit Hilfe. Präsenz lässt sich nicht an Gebäuden festmachen, sondern daran, wie authentisch wir das Evangelium wieder erlebbar machen.“
„Mobilität ist eine Frage der Prioritäten“
Martin Verfürth, Vorsitzender des gewählten Laien-Gremiums Pfarrgemeinderat, sieht das ähnlich. „Wenn ein hochkarätiges Konzert in St. Urbanus stattfindet, gelingt es Interessierten doch auch, in die Kirche zu kommen. Es ist eine Frage der Prioritäten.“
Gleichwohl sei nicht zu leugnen, dass die Fusion von 2007 „in vielen Köpfen und Herzen noch nicht ganz angekommen ist; zahlreiche ältere Resser und Erler sehen sich mit ihrem ausgeprägten Lokalpatriotismus erst in zweiter Linie als Bueraner.“ Dabei sei der emotionale Schmerz durchaus verständlich, wenn es gelte, sich von liebgewonnenen Traditionen zu verabschieden.
„Die meisten Kirchen stehen 23 Stunden am Tag leer
Die alte „überdimensionierte Infrastruktur“ sei jedoch auf Dauer nicht mehr für haltbar angesichts von Finanzierungsproblemen und rückläufigen Gläubigenzahlen. „Die meisten Kirchen stehen 23 Stunden am Tag leer.“ Trotzdem sei es wünschenswert, vor Ort noch kleinere Erlebensorte zu erhalten, etwa Gesprächs- oder Bibelkreise.
Dass die Kirche ein „abgehobenes Priesterbild“ pflege („hier oben der Priester, da unten die Gläubigen“ ), so Sigrid Grabmeier, Sprecherin der Laienbewegung „Wir sind Kirche“, kann Verfürth zumindest für die Pfarrei nicht bestätigen. „Wir haben hier sehr aufgeschlossene Geistliche.“ Auch Pottbäcker bezeichnet die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen als „eng und intensiv“.
Die Forderung Sternbergs nach verstärkter Einbindung von Laien kann der Propst freilich unterschreiben: „Allerdings ist es leider nicht so, dass sich sehr viele nach der großen Verantwortung sehnen.“