Gelsenkirchen. Die Vorwürfe waren drastisch: Ex-Jugendamtsleiter Alfons Wissmann soll sein Amt missbraucht haben. Die Staatsanwaltschaft fand aber keine Belege.
- Der Gelsenkirchener “Jugendamtsskandal“ hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt
- Die beiden Ex-Amtsleiter sollen ihre Stellung missbraucht haben, um mit Kindern Geld zu verdienen
- Das Gericht stellte das Verfahren nun ein, weil die Vorwürfe nicht ausreichend belegt werden konnten
Ein Beitrag in der ARD-Sendung „Monitor“ lieferte am 30. April 2015 die Initialzündung für ein Thema, das Politik, Ratsgremien, Verwaltung und Stadtgesellschaft in der Folge als Jugendamtsskandal beschäftigte. Im Mittelpunkt: Amtsleiter Alfons Wissmann und sein damaliger Stellvertreter Thomas Frings.
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Das juristische Nachspiel ist jetzt beendet – mit gutem Ausklang für Wissmann. Anderthalb Jahre lang hat die Staatsanwaltschaft Essen in zwei Verfahren gegen den ehemaligen Leiter des Gelsenkirchener Jugendamts ermittelt. Laut Aussage des Anwaltsbüros Heescher an der Ahstraße, das Wissmann juristisch vertreten hat, „konnte die Staatsanwaltschaft keinerlei Hinweise für eine strafbare Handlung von Herrn Wissmann erkennen. Es hat daraufhin beide Verfahren eingestellt.“
Für Wissmann gelte der „staatsanwaltliche Freispruch“
Für Wissmann gelte nun der sogenannte „staatsanwaltliche Freispruch“, der nur in Betracht komme, „wenn sich keinerlei Anhaltspunkte für eine strafbare Handlung ergeben haben“, so Anwalt Heinz-Dieter Heescher. Für ihn steht fest, dass die „den bisher tadellosen Ruf“ Wissmanns aufs „schwerste schädigenden Vorwürfe zu Unrecht erhoben worden sind“.
Wissmann und Frings waren im TV-Beitrag und in der Folge vorgeworfen worden, „mit Kindern Kasse“ zu machen. Die frühere Jugendamtsleitung soll ihre Stellung ausgenutzt haben, um mit Kindern, die sich in staatlicher Obhut befanden, Geld zu verdienen. Wissmann und Frings sollen gezielt für eine Überbelegung des Gelsenkirchener Heims St. Josef gesorgt haben.
Im Gegenzug dafür wurden Kinder aus Gladbeck und Herne für intensivpädagogische Maßnahmen nach Ungarn geschickt. Träger des Heimes dort war die Neustart kft, gegründet 2004 von Wissmann und Frings. Ebenfalls betroffen: Die St. Augustinus GmbH über ihr Kinderheim St. Josef. Hauptbeschuldigte war hier die damalige Leiterin der Einrichtung. Sie, so hieß es zunächst, habe all dies betrieben, ohne dass die Aufsichtsgremien der Gesellschaft etwas bemerkt haben.
Frings zog gegen seine Kündigung vor Gericht
Die Beweislage war schwierig. Mit dem damals 63-jährigen Alfons Wissmann einigte sich die Stadt bereits im Mai 2015 auf einen Aufhebungsvertrag – und wurde dafür aus der Rats-Opposition stark kritisiert. Thomas Frings dagegen zog gegen seine Kündigung vor Gericht – und gewann in zwei Instanzen. Er arbeitet jetzt für eine Stadttochter. Zu den Vorwürfen äußerten sich beide öffentlich nicht.
Die Aufarbeitung des komplexen Falls verlief zäh. Ein Untersuchungsausschuss legte nach einem Jahr Arbeit, langen Sitzungen und heftigem politischen Schlagabtausch letztlich im Sommer 2016 einen 22-seitigen Abschlussbericht vor. Tenor: Die Vorwürfe gegen die Ex-Jugendamtsleitung stimmen. Die Stadt sei getäuscht worden. Einbezogen als Beweis wurde auch der Bericht einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Auch den hat die Staatsanwaltschaft laut Heescher ausgewertet, wohl aber ohne Anhaltspunkte für eine Straftat.
Gegen die Einstellung der Verfahren wird es keine Beschwerde geben, auch nicht seitens der Stadt. Für Stadtsprecher Martin Schulmann zeigt die Entscheidung der Staatsanwaltschaft angesichts der verzwickten Ausgangslage „einmal mehr, dass die Entscheidung mit dem Auflösungsvertrag damals wie heute genau richtig war.“ So habe die Stadt zumindest dieses Kapitel für sich beenden können.