gelsenkirchen-Resser Mark. . Einst Verwahrstelle für Menschen mit Behinderungen, feiert das Wichernhaus nun als modernes Wohnheim seinen 50. Geburtstag – Party inklusive.
- Das Wichernhaus des Diakoniewerks feiert seinen 50. Geburtstag mit Gottesdienst und Party
- Wohnheim für Menschen mit Behinderungen wandelte sich von Verwahr- zum Förderzentrum
- Bis 1978 mussten weibliche Behinderte draußen bleiben
Nicht für Menschen mit Behinderungen – sondern mit ihnen: Die Ansprüche an die Betreuung von Frauen und Männern mit Förderbedarf, sie haben sich massiv gewandelt. Wie sehr, zeigt das Wichernhaus in der Resser Mark, das in diesen Tagen seinen 50. Geburtstag feiert und zurückblickt auf seine Anfänge als Verwahrstelle mit eher robuster Pädagogik. Wie verschieden nimmt sich die Betreuung dagegen heute aus mit individuellen Förderkonzepten, Freizeitangeboten und Wohnformen.
Als der Buer-Horster Ortsverband für Innere Mission e.V. das einstige Heim für Graf-Bismarck-Bergnappen an der Warendorfer Straße 1967 nach dem Aus der Zeche umfunktionierte zum Wohnheim für 70 Kinder und junge Erwachsene mit geistigen Beeinträchtigungen, „da galt für das Heimleiter-Ehepaar Binkowski das Prinzip ,learning by doing’“, berichtet Einrichtungsleiter und Diakon Stefan Paßfeld. „Sie hatten sicher zum ersten Mal mit behinderten Menschen zu tun.“
1967 fragte der Oberpfleger noch ab: „Gummihose?“
Winfried Blok (62), ein Bewohner der ersten Stunde, erinnert sich noch gut, wie der Oberpfleger die Neulinge zwischen acht und 25 Jahren am ersten Abend abfragte: „Gummihose oder nicht?“ Trotz des rauh-herzlichen Tons habe er sich aber gut eingelebt und viele Freunde gefunden, mit denen er spielen konnte. Bernhard Sürie (58), damals acht Jahre alt, brauchte länger dafür. Vor 13 Jahren hat er im Wichernhaus die Frau fürs Leben gefunden und teilt mit ihr ein Zimmer in einer Wohngruppe.
Heute bietet die Einrichtung des Diakoniewerks Gelsenkirchen und Wattenscheid rund 180 Frauen und Männern ein Zuhause, entweder in einer der neun Wohngruppen, vier Außenwohngruppen oder dem Haus Amanda für junge Menschen. Eine Männerdomäne ist das Wohnheim längst nicht mehr: 1978 zogen nach heftiger Diskussion die ersten zehn Frauen ein. Deren Trakt wurde freilich nachts abgeschlossen, um gegenseitige Besuche zu unterbinden und die Frauen zu schützen. Mittlerweile ist es selbstverständlich, dass sich Paare finden, „ver-, entlieben und zoffen“, so Paßfeld schmunzelnd.
„Früher ging es um Teilhabe, heute um Inklusion“
„Früher galt das Prinzip Eingliederung und Teilhabe, heute geht es um Inklusion mit dem Ziel, die größtmögliche Selbstständigkeit der Bewohner zu erreichen“, betont Dr. Karl Bosold, Geschäftsführer der Wichernhaus gGmbH.
Konkret heißt das: „Je nach Behinderungsbild bieten wir Wohngruppen-Schwerpunkte an, damit wir den verschiedenen Hilfe- und Pflege-Bedarfen auch gerecht werden können“, so Paßfeld. Allen Gruppen gemeinsam ist die Tagesstruktur, die den Bewohnern Sicherheit geben soll – eben die immer gleichen Abläufe, die ergänzt werden durch Wochenpläne und Einzel- oder Gruppentherapien, Wunschprogramm inklusive.
gGmbH plant zwei neuer Wohnhäuser
Dazu zählt für viele auch eine größere Privatssphäre in einem Einzelzimmer, dem das Wichernhaus nun schrittweise nachkommt. „Wenn die neuen Gebäude Haus Johannes im Emscherbruch mit 24 Plätzen und Haus Caroline in der Feldmark mit 16 Plätzen bezogen werden, haben wir an der Warendorfer Straße mehr Platz und können die restlichen Zimmer umbauen“, kündigt Bosold an.
Für „Urgestein“ Blok ist es unterdessen mit das höchste Glück, einen eigenen Fernseher zu besitzen. „In der Landesklinik Warstein durften nur die Mädchen Fernsehen gucken, hier aber habe ich mein eigenes Gerät.“