Gelsenkirchen. . Gemeinsam mit Flüchtlingen aus Syrien gestaltete das Ballett im Revier am Freitagabend die achte „Jam Session“ im Gelsenkichener Musiktheater im Revier

Ein „grenzenloses“ Tanzexperiment lockte am Freitagabend die Zuschauer ins Foyer des Großen Hauses am Kennedyplatz: Das „Ballett im Revier“ hatte zur bereits achten „Jam Session“ geladen – mit dem Titel „No Limits“.

Besucher wurden eingebunden

Dabei wurde das ungewöhnliche Tanzformat, das am Tag zuvor bereits im Bochumer Kunstmuseum zu erleben gewesen war, erneut auch ein Experiment für die Besucher, denn diese wurden in das gut einstündige Programm immer wieder eingebunden.

Den Traum von John Lennons „Imagine“ stellten Ensemblemitglieder des Balletts im Revier tänzerisch dar.
Den Traum von John Lennons „Imagine“ stellten Ensemblemitglieder des Balletts im Revier tänzerisch dar. © FUNKE FotoServices

Schon zu Beginn fand sich das Publikum umgeben von Tänzern wieder, die einen Kreis um die Menge herum bildeten – und dabei laute Zischgeräusche von sich gaben. Unweigerlich fühlte man sich dabei erinnert an die Silvesternacht von Köln. Eine Menschenmenge, umtanzt, eingepfercht, irgendwo zwischen Platzangst, Irritation und Faszination. Das Gefühl der Enge überwog. Das internationale Ensemble des Ballett im Revier, hier standen acht Tänzer aus fünf Nationen auf der improvisierten Bühne, kannte das Gefühl des Fremdseins natürlich selbst allzu gut.

So sprach man ganz ohne Worte mit den beiden jungen Beat-Boxern Ahmad Al Ramli und Omar Tadmuri aus Syrien die gleiche Sprache. Die Compagnie erinnerte mit Auszügen aus John Lennons „Imagine“ an den Traum vom friedlichen Zusammenleben. So wich das Gefühl der Bedrängnis schnell einem Gemeinschaftsgefühl.

Mit phantasievollen Masken wirbelten die Tänzer durch das Foyer des Musiktheaters im Revier.
Mit phantasievollen Masken wirbelten die Tänzer durch das Foyer des Musiktheaters im Revier. © FUNKE FotoServices

Doch die so geschaffene Idylle hielt nicht lange an: Patrick Breiner, der Bruder von Ballettchefin Bridget Breiner, funkte mit seiner New Yorker Band „Vax“ laut und dissonant dazwischen. Gemeinsam mit den Tänzern ging der Saxofonist auf Reise, ließ sich jagen und wurde zum Jäger. Tänzer und Bandmitglieder wirkten dabei mit dämonisch anmutenden Pappmasken wie Fabelwesen aus einer fremden Welt. Die wilden Jazz-Improvisationen wurden abgelöst von Weltmusik der syrisch-deutschen Band „Heimatlos“, die mit Gesang, Saz, Gitarre und „Beat Boxing“-Versatzstücken Lieder aus ihrer Heimat vorstellte. Nicht nur das Ballettensemble, sondern auch zahlreiche Besucher ließen sich zu einer Tanz-Session inspirieren.

Der anvisierte „kreative Dialog der Kulturen und Nationen“ wurde jedoch nur ansatzweise verwirklicht: Zu sehr wirkten Weltmusik und Modern Jazz nebeneinander her, Schnittmengen gab es kaum. Und auch die Tanzwelten vermengten sich nicht – Volkstanz stand dem modernen Tanztheater gegenüber, eine Melange wurde es nicht.

Der guten Laune bei Tänzern, Musikern und Publikum tat dies allerdings keinen Abbruch.

Für die Band „Heimatlos“ haben sich sechs aus Syrien geflüchtete junge Musiker im Begegnungszentrum „Kulturzimmer“ in Neukirchen-Vlyn gemeinsam mit dem Schauspieler und Regisseur Frederik Göke zusammengeschlossen.

Die Künstlerische Leitung des Balletts an diesem Abend hatte Sébastien Mari übernommen.