Gelsenkirchen. Tief im Westen im Stimmungshoch. Herbert Grönemeyer tauchte die Arena für fast drei Stunden in ein Gefühlsbad.

„Von Bochum bis Dauernd Jetzt“ – in der Veltins Arena war das Freitagabend mehr als nur ein Tour-Versprechen auf Papier, es war eine musikalische Offenbarung. Herbert Grönemeyer kam, sah und sang (fast) alles, was ihn zwischen 1984 und 2016 beliebt, bekannt, berühmt machte. Und er feierte dabei sowas wie einen Startrekord: Von 0 auf 100 in gefühlt drei Sekunden – länger brauchte es nicht, auch die letzte Reihe auf dem Oberrang der Nordkurve in Bewegung zu bringen. Die Halle stand, jubelte, schwenkte die Arme, 50 000 feierten Herbert und sich, gaben fast drei Stunden lang die Grönemeyer-Chöre.

Was noch zu sagen wäre zu im Nachklang zu einem besonderen Arena-Abend:

Gefühls-Pegel

Auf einer zehn-Punkte-Skala wäre der Pegel zwischendurch locker bis zwölf durchgeschlagen. Wen Steigerlied und „Bochum“, „Mensch“ oder „Der Weg“ nicht berühren, der hat kein Herz. Zwischendurch flackerte immer wieder das Lichtermeer, Grönemeyer wirkte mindestens so beseelt wie sein Auditorium: „Irre, danke, wunderbar, unfassbar schön“ – das Publikum gab die Liebeserklärungen dankbar zurück „Oh, wie ist das schön“, tönte die Arena. So was hat man hier lange nicht mehr gehört.

Hitdichte

Tief im Westen ganz hoch – von „Männer“ über „Alkohol“ bis „Kinder an die Macht“, von „Zeit, dass sich was dreht“ bis zur guten, alten Currywurst. „Bevor ihr es schreit, sing’ ich es lieber gleich“, bekundete Grönemeyer und ließt am E-Piano Taten folgen.

Tanzeinlagen

Kleiner Hüftschwung, ein paar Doppelschritte, leichte Beinarbeit, Arme ausgebreitet, versonnenes Lächeln dazu – fertig ist die Tanznummer. Grönemeyer, mittlerweile ja auch schon 60 + (2) und rundlicher in der Körpermitte, kokettiert damit, und allen gefällt’s. Dafür machte er ordentlich Meter auf der Bühne. Links, rechts, Mitte, Steg, Herbert ist kein Weg zu weit.

Publikum

„Bochum, ich komm aus Dir“. . . klar, von der Songzeile darf sich das gesamte Revier vereinnahmt fühlen und gerne Bochum gegen Gelsenkirchen oder noch spezieller Schalke austauschen. Aber damit war Freitag lange noch nicht Schluss. Die Nummernschilder auf den Parkplätzen zeigten: Bochum ist für Herbie-Fans überall – zum Beispiel, Wesel, Köln, Hagen, Siegen, ja selbst München.

Konzert-Kleidung

Sagen wir mal so: Mit Tour-Shirts und Merchandising ist bei Grönemeyer kein Staat zu machen. Wenn sich der Fan eindeckt, dann vielleicht für die heimischen vier Wände. Zu Schau trägt er seine Vorliebe nur in Ausnahmefällen – entsprechend rar war die Zahl der „Ö“-Shirts, zeigten sich nur wenige Frauen in „Sprünge“-Rosa. Bei Grönemeyer kann man’s halt halten wie der Meister selbst: Schwarz tragen von Schlabber-Blouson bis zur Jeans und fertig.

Sound

Nun ja, zeitweise stark verbesserungsbedürftig, zumindest auf der „R+V“-Tribüne. Da knarzte und knallte es, war das Saxophon oft megaschrill, bumsten die Bässe, ging Grönemeyers Stimme öfter im Getöse unter. Aber auf das textsichere Publikum ist Verlass. Man versteht sich auch so.

Show-Faktor

Fingernde Spots am schwarzen Bühnenaufbau, Videowände, die in Retro-Chic Grönemeyer gerne in Blau und Rot optisch in Szene setzten, dazu etwas Nebel, ein paar Bilder. Geklotzt wird nicht. Für den Aha-Effekt war vor allem einer zuständig: der Chef auf der Bühne. Zum Schluss werden dann doch noch Konfetti-Kanonen gezündet, servieren „Kopfsalat“ für den Heimweg.