Gelsenkirchen. . Die Grönemeyer-Chöre und ihr Dirigent gastierten am Freitagabend in der fast ausverkauften Arena auf Schalke. Und DJ Felix Jaehn war auch dabei.
Es ist kaum zu glauben, aber Herbert Grönemeyer muss richtig die Düse gegangen sein. Eigentlich ist das doch eine sichere Bank, erst das „Steigerlied“, dann „Bochum“. Und er singt „Du bist keine Weltstadt, Gelsenkirchen“, aber doch vom Doppelpass des „Vaueffehell“. Und es geht gut. Kein einziger der gut 50.000 auf Schalke storniert seine Mitgliedschaft in den Grönemeyer-Chören - die Arena singt sich selig und Herbie steht die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, Ob das wirklich nur eine Schweißperle ist, die ihm da die Backe runterkullert? Puh: „ Man ist doch sehr aufgeregt, wenn man wieder nach Hause kommt und denkt: Hoffentlich glauben die nicht, man sei völlig verrückt geworden!“
Heimspiel für Blau und Weiß
Es ist deutlich voller in der Arena als eine Woche vorher bei Lindenberg, es ist ja auch, irgendwie doch, ein Heimspiel, Blau und Weiß, wie liebt er dich. Und die Staus waren auch länger. Anders aber als vor 32 Jahren, als Grönemeyers Karriere-Rakete abhob, wird heute um fünf nach acht das Publikum unruhig und fordert mit La-Ola-Gymnastik den Anpfiff - früher gehörten die Ausschläge auf der nach oben offenen Verspätungsskala zu den Maßeinheiten des Star-Ruhms, heute sind auch Rockstars Service-Unternehmer. Herbert lässt es beim akademischen Viertel bewenden. Sofort steht die Halle steht auf, klatscht den Rhythmus von „Unter Tage“, auch wenn der Sound noch etwas matschig, mit einer Überportion Bass daherkommt. Das sollte sich im Laufe des Abends noch bessern, bis dann wirklich nichts mehr ablenken konnte vom geselligen Heimatabend der anderen Art: „Wir sind beeindruckt, wir geben alles!“
Es ist die „Dauernd jetzt“-Tour mit dem Laufplan der Hallentournee vom letzten Jahr, mit der Grönemeyer von hier aus durch die Stadien der Republik tingeln wird. Aber etwas ist anders. Bevor er „Unser Land“ anstimmt, spricht er zum ersten Mal über die Aufnahme von Flüchtlingen: „Ich weiß nicht, ob es jemand mitbekommen hat, aber ich bin neulich 60 geworden und die Zeiten waren noch nie so kompliziert und schwierig. Aber wir dürfen das Land nicht den Rechten überlassen“ - Jubel. Und genauso viel Beifall, als er sagt, dass diese Menschen auch noch in den nächsten 20, 30 Jahren unsere Hilfe brauchen: „Roter Mond“.
Grönemeyer, meist auf dem Laufsteg mitten im Publikum vor der 30-Meter-Bühne, mischt Hits mit Songs wie „Fisch im Netz“ (“Kennt keiner, ist aber trotzdem schön!“) oder „Schiffsverkehr“, das er seit zehn Jahren spielt und das „einfach kein Hit werden will, aber ich bin Westfale, ich bleibe stur...“ Und schnappt sich die Gitarre, wie er überhaupt häufiger als früher in die Saiten statt in die Tasten greift Mucksmäuschenstill wird es dann, als er den Song für seine 1998 gestorbene Frau spielt, „Der Weg“, eine Weile bleibt das so, bis sich die Rührung Luft machen muss und in die nächste Mitsing-Runde mündet. Mehr gefühlte Nähe geht nun wirklich nicht. Herbie: „Es ist unfassbar schön, wat ein hearrlicher Ahmt“. Auch dann noch, als Herbie mit Felix Jaehn seine unsäglich plumpe EM-Hymne anstimmt.
„Zum Abschlussdieses wunderbaren Abends...“
Die Bühne bleibt bis auf die Projektionsleinwände fast spartanisch, selbst das Licht macht keine große Show, die gehört nur einem an diesem Abend: Dem großen Grönemeyer-Chor und seinem schwarz gewandeten Leiter da vorn. Eigentlich müsste er immer nur die ersten zwei, drei Worte anstimmen, auf die Textsicherheit dieser verschworenen Reviergemeinschaft ist Verlass. Auch dann, wenn Grönemeyer einen Song wie „Fang mich an“ als Tanznummer angekündigt - was haben wir gelacht!
„Zum Abschluss dieses wunderbarene Abends...“ kündigt er nach anderthalb Stunden „Bleibt alles anders“ an. Aber daran hat natürlich keiner geglaubt. Die Familienfeier für 50.000 ging noch Zugaberunde um Zugaberunde weiter. Onkel Herbert ist einfach der Beste.