Gelsenkirchen. In Clemens Tönnies haben die Ultras ihre Reizfigur ausgemacht. Ein Umstand, der den Marketingvorstand des Clubs, Alexander Jobst (42), beschäftigt.
Das gellende Pfeifkonzert der Ultras am Samstag gegen Clemens Tönnies (59), den Aufsichtsratsvorsitzenden des FC Schalke 04, hallt nach. In der Nordkurve stehen die Kritiker des Fleisch-Magnaten, die offenbar den Beteuerungen der handelnden Personen nicht trauen wollen, wenn die unter anderem sagen, dass Königsblau ein eingetragener Verein ist und es auch bleiben soll. In Tönnies, der bei der Jahreshauptversammlung am 26. Juni als Aufsichtsrat zur Wiederwahl steht, haben die Ultras aber offenbar generell eine Reizfigur ausgemacht. Ein Umstand, der den Marketingvorstand des Clubs, Alexander Jobst (42), beschäftigt.
„Der Verein in seinen jetzigen Strukturen benötigt einen stark geführten Aufsichtsrat. Davon bin ich nach fünf Jahren auf Schalke überzeugt. Diese Überzeugung gilt aber auch dafür, dass der Vorstand das operative Geschäft zu hundert Prozent verantwortlich führen muss“, sagte Jobst im exklusiven WAZ-Interview am Montag.
Tönnies, führte der Vorstand weiter aus, würde – wie in der Vereinssatzung festgelegt – nicht in das tägliche Geschäft eingreifen. „Ich schätze seine Kompetenz und seinen Einsatz, wenn es etwa darum geht, auf wirtschaftlicher und politischer Ebene entscheidende Türen für uns zu öffnen“.
Wichtiges Indiz für die Zusammenarbeit
Für Jobst ist die Vertragsverlängerung mit Hauptsponsor Gazprom ein wichtiges Indiz für diese Zusammenarbeit. „Auch der Freundschaft von Clemens Tönnies zu Alexei Miller, dem Vorstandsvorsitzenden von Gazprom, ist es zu verdanken, dass wir das gemeinsam hinbekommen haben.“
Sehr nachdenklich stimmt den Schalker Vorstand die Entwicklung, wenn es um die Wiederwahl von Tönnies geht. Jobst sieht den S04 auf „einem Holzweg“, wenn persönliche Dissonanzen im Aufsichtsrat die operative Arbeit des Vorstandes zum Wohl des Vereins beeinflussen und findet: „Das kann nicht sein.“ Seiner Überzeugung nach sehnt sich der Verein nach Kontinuität, um auch in Zukunft erfolgreich bleiben zu können. „Wir sprechen immer und überall von unseren Werten: Tradition, Erfolg und Leidenschaft. Zur Leidenschaft zählen auch Arbeit und Zusammenhalt. Doch zeigen und leben wir das auch? Wir beschäftigen uns sehr mit uns selbst. Zu sehr? Ich denke schon!“
Mentalität muss sich ändern
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Jobst ist der Überzeugung, dass der Verein eine Mentalitätsänderung herbeiführen müsse. Viel zu oft würde das Glas als halb leer bewertet und leider nicht als halb voll. „Wir brauchen eine Siegermentalität. Daran müssen wir arbeiten. Das gilt für alle handelnden Personen, denen Schalke am Herzen liegt“, sagte der Marketing-Vorstand.
Für Alexander Jobst ist klar, dass der FC Schalke 04 als eingetragener Verein einen Weg beschritten habe, den alle auch weitergehen werden. Die aktuelle Diskussion um Tönnies bezeichnete er in diesem Zusammenhang als nicht zielführend. „Sie hilft nicht der Entwicklung.“
Kommentar: Die dritte Halbzeit
Der sportliche Teil der Bundesliga-Saison ist quasi abgehakt. Der politische hat für Schalke gerade begonnen. Clemens Tönnies steht am 26. Juni als Aufsichtsratsmitglied zur Wiederwahl. Allein das motiviert seine Gegner offenbar, sich für eine dritte Halbzeit in Position zu bringen. Die Gründe dafür liegen nicht klar auf der Hand.
Ja, der Fleischmagnat aus Rheda hatte sich früher zu oft ins Rampenlicht gestellt. Allerdings in dieser Saison deutlich seltener. Ja, der Stil rund um die Heldt-Ablösung war nicht immer sauber. Der Wechsel an und für sich aber Tagesgeschäft. Und die Vereinsdiskussion? Überflüssig. Das Modell wird nicht infrage gestellt.
Dass Alexander Jobst sich jetzt vor seinen Aufsichtsratsvorsitzenden stellt, hat den Grund, dass ohne Tönnies einiges auf Schalke nicht möglich wäre. Etwa der Gazprom-Deal in dieser Größenordnung. Den allerdings hätte der Verein besser präsentieren können. Hier haben Schalke und Tönnies eine echte Chance vertan.