Gelsenkirchen. . Angelika Nordmann ist Aushilfslehrerin bei einer IFö-Klasse in der Hauptschule Am Dahlbusch. Die Kinder lernen Mathe, sie lernt, neu auf ihre Muttersprache zu blicken
Marlon gibt den Klassenclown, Amet hingegen ist eher zurückhaltend. Iliescu mimt den Charmeur und Klaras rechter Zeigefinger schnellt bei jeder Frage von Klassenlehrer Adem Kalinci in die Höhe, so als wolle er sagen: „Hier! Ich weiß es!“
Die klassischen Schülertypen – sie sind alle vertreten in dieser 5. Klasse an der Hauptschule Am Dahlbusch. Etwas aber ist anders. Die Klasse ist eine IFö-Klasse, eine internationale Förderklasse. Das heißt: Die Kinder, die die Klasse besuchen, sind erst seit kurzer Zeit in Deutschland, sprechen die Sprache noch gar nicht oder nur wenig. Durch den Besuch einer IFö-Klasse sollen sie darauf vorbereitet werden, alsbald in eine „normale“ Klasse zu gehen.
Ehrenamtlich in Schule
Heute stehen zwei Stunden Mathematik auf dem Plan, auf der Tafel steht die Rechenaufgabe 18:9= geschrieben. Die Kinder, zwischen zehn und zwölf Jahre alt, sollen die Neuner-Reihe lernen, das Dividieren – und das auf deutsch. Die Stimmung in dem als Klassenraum fungierenden Container ist ruhig, aber gespannt, ein kleines bisschen aufgedreht. Vor allem ist wahrnehmbar: Die 14 Kinder aus der IFö 5B wollen lernen, unbedingt.
Lehrer Adem Kalinci hilft ihnen dabei, Angelika Nordmann auch. Die 67-Jährige sitzt an einem der Pulte, neben den Schülern. Später, wenn sich der Unterricht von der Tafel aufs Arbeitblatt verlagert, wird sie umhergehen und den Schülern über die Schulter gucken, ihnen beim Rechnen helfen. Denn: Nordmann ist Aushilfslehrerin – ehrenamtlich unterstützt sie die IFö-Lehrer in der Hauptschule.
Chemie- und Sowi-Lehrerin
Bevor Angelika Nordmann pensioniert wurde, da war sie Chemie- und Sowi-Lehrerin an einer Gesamtschule in Mülheim. Sie weiß also wie der Hase hoppelt.
Ihr ehrenamtliches Engagement, das hat sie über die Ehrenamtsagentur gefunden. Ans Grillo-Gymnasium oder an die Hauptschule hier habe Ehrenamtsagentur-Leiterin Beate Rafalski sie schicken wollen, Nordmann hat sich für letzteres entschieden. Weil sie glaubt: „Heterogene Gruppen, die sind ein Chance.“
Motiviert war ihr freiwilliger Einsatz durch die Flüchtlingskrise. Die Bilder im Fernsehen, all die Geschichten haben Nordmann gezeigt: „Ich will mehr machen.“ Zu viel Freizeit hingegen „war wirklich nicht der Grund“, sagt die Ückendorferin. Sie macht einen Italienisch-Kurs, ist Gasthörerin an der Uni, betreibt einen Blog für Naturwissenschaften.
Ein neuer Blick auf unsere Sprache
Auch Nordmann hat durch ihr Engagement viel gelernt. „Hier kriegt man einen Blick dafür, wie schwer unsere Sprache ist“, sagt sie und spricht von „Hochachtung“, die sie den Kindern und ihren Leistungen gegenüber empfindet.
Klara liest die Aufgabe an der Tafel vor. Die mathematischen Fachbegriffe Dividend, Divisor und Quotient hat sie eben erst gelernt – erstaunlich leicht kommen sie ihr schon über die Lippen. Die Kinder haben mittlerweile einen Sitzkreis auf dem Boden gebildet. Aus Rumänien, Bulgarien, Serbien oder Syrien kommen sie in dieser Klasse, sind teilweise noch im laufenden Asylverfahren. Der Unterricht ist nicht frontal, zwischendurch bewegen die Mädchen und Jungen sich, stehen auf, machen gemeinsam kleine sportliche Übungen. Um wieder besser denken zu können. Lehrer Kalinci hat Bonbons mitgebracht, um die Aufgaben besser veranschaulichen zu können. Bei 18 Bonbons bekommen neun Kinder jeweils zwei Stück – Aufgabe gelöst!
„Es hat mich gepackt“, sagt Nordmann in einem ruhigen Moment. Ihr Ehrenamt, das sei „nicht nur altruistisch. Man bekommt so richtig viel zurück.“ Ein Lachen, einen festen Händedruck, ein Danke. Oder eher fünf. So oft nämlich hat ein Schüler letztlich Danke zu „Frau Nordmann“ gesagt, weil er sich eine Aufgabe überlegen und sie an die Tafel schreiben durfte.