Gelsenkirchen. . Atemgesteuert, extrem schnell, haut- und herzschonend sowie millimetergenau beschießt der Versa HD an den Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen Tumore.

Stellen Sie sich vor, Sie setzen eine Brille auf und sehen dadurch, wie tief ihr Atem ist und indirekt wie sehr sich dabei ihre Brust vom Herzen entfernt. Genau das ermöglicht die Brille, die Bestrahlungspatienten in der Radioonkologie in den Evangelischen Kliniken (EvK) auf Wunsch aufsetzen dürfen. Natürlich geht es aber nicht um spaßiges Gesundheitskino, sondern um Sicherheit.

Dank eines revolutionären Kontrollsystems während der Bestrahlung von Krebspatienten ist es möglich, die Strahlendosis so millimetergenau gezielt zu platzieren, dass so gut wie kein gesundes Gewebe getroffen wird. Drei Kameras – Laserscanner – beobachten den Patienten während der Therapie, stoppen bei Bedarf die Strahlung, wenn das Ziel, der Tumor, wegen einer kleinen Zuckung des Patienten nicht mehr 100-prozentig anvisiert wird. Vor der Bestrahlung hat zudem ein Computertomograph noch aktuelle Aufnahmen von Größe und Lage des Tumors gemacht. Zur Sicherheit, weil bestehende Tumore an Weichteilen sich quasi täglich unter der Therapie verändern können.

Bestrahlungszeit durch extreme Beschleunigung drastisch reduziert

© Foto: Martin Möller / Funke Fot

Linearbeschleuniger, die Tumore zerstören können, gibt es schon lange und sie werden immer besser. Besser: Das heißt präziser und schneller. Das Besondere an dem „Hochpräzisions-Elektronenlinearbeschleuniger Versa HD von Elekta mit Cone-Beam-CT und C-RAD Patiententracking System“, mit dem Privat-Dozent Dr. Razvan Galalae, Chefarzt der Radioonkologie an den Ev. Kliniken, arbeitet: Er ist nicht nur um ein Vielfaches schneller als andere, was die Bestrahlungszeit drastisch – auf zwei Minuten – reduziert. Die Ergänzung durch die drei Kameras, die die Bestrahlung in 4D überwachen, machen den Unterschied. Dadurch wird zielgenau wie sonst nirgends der Tumor beschossen.

Studie belegt geringeres Risiko für das Herz

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Besonders große Vorteile bringt das an der linken Brust bei Brustkrebs. Hier wurde bislang nur sehr verhalten bestrahlt, weil Studien gezeigt haben, dass durch die Bestrahlung häufig die Herzkranzgefäße geschädigt werden. Oft wirken sich diese Schäden viel später aus. 1,3 Prozent der so Bestrahlten starben bisher binnen 15 Jahren an den Folgen dieser Strahlentherapie, nicht an ihrer Erkrankung.

„Dieses Risiko“, so Priv.-Dozent Dr. Razvan Galalae, „ist mit dem neuen Verfahren, das bislang keine andere Klinik im Ruhrgebiet so anwendet, nahezu ausgeschaltet, da es bei der DIBH (Deep Inspiration Breast Hold) keine Direktstrahlung auf das Herz mehr geben kann dank Kameraüberwachung mit Laserscanner und Strahlung nur in der Tiefatmungsphase. Und die Bestrahlung ist sehr hautschonend.“

Zur Strahlentherapie der linken Brust hat Dr. Galalae mit seinem Oberarzt Rodrigo Hepp, dem Chefarzt des Brustzentrums an den EvK, Dr. Abdallah Abdallah, und anderen eine bereits veröffentlichte Studie durchgeführt, die die Verminderung des Herzrisikos belegt.

Alternative zur OP an der Lunge

Über 300 Brustkrebs-Patientinnen werden im Jahr damit in den EvK bestrahlt, darunter auch Patientinnen, die aus anderen Kliniken im Revier dafür zugewiesen werden.

Zum Einsatz kommt das Verfahren auch bei Lungentumoren. Vor allem für Patienten, die wegen schwerer Vorerkrankungen nicht operiert werden können, ist die Kombination eine gute Alternative zur Operation, mit der der Tumor zerstört werden kann – sogenannte stereotaktische Bestrahlung.

Zum Repertoire in der Radioonkologie an den EvK gehören zudem Radiotherapien bei Hirn-, Lungen-, Leber- und Nebennierentumoren oder Metastasen in verschiedensten Techniken einschließlich Brachytherapie sowie auch intraoperative Strahlentherapie, also während einer Operation.

Tag der offenen Tür am Medizinischen Zentrum 

Am Freitag, 29. April, öffnet das Ärztehaus an den Evangelischen Kliniken von 12 bis 17 Uhr die Pforten aller Praxen und Dienste in dem Medizinischen Versorgungszentrum für interessierte Bürger. In den Praxen der Chirurgie, der Neurologie und der Proktologie stehen die Ärzte und das Team zu ausführlichen Gesprächen und Beratung zur Verfügung. Der leitende Arzt Dr. Hans-Ulrich Topp: „Wir bieten hier eine Praxis der kurzen Wege an. Unsere Stärke liegt in der Vernetzung. Hier im Haus haben Neurologen, Physiotherapeuten, Proktologen, Strahlentherapeuten und Senologen ihren Sitz. Abgerundet wird dieses Angebot durch ein Sanitätshaus und eine Diakoniestation. Für uns Ärzte hat das den Vorteil, dass wir den Patienten vor Augen haben, ihn ausführlich beraten und dann an die zuständigen Kollegen direkt hier im Haus weiterleiten können.“

Kostenlose Tests, Handmassage und buntes Rahmenprogramm

Auch die Hochpräzisionsgeräte in der Strahlentherapie (siehe oben) können in Augenschein genommen werden. Das Team der Senologen bietet neben Informationen auch kostenlose Handmassagen an. Mitarbeiter der Diakoniestation messen auf Wunsch gratis Blutdruck und Blutzucker, „Essen auf Rädern“ verteilt Gulaschsuppe, Physiotherapeuten der IFGA stellen verschiedene Therapiemöglichkeiten vor, das Sanitätshaus im Haus öffnet ebenfalls seine Türen für Besucher.

Bei kleinen Besuchern sorgen indes eine Luftballonkünstlerin und ein Clown für Kurzweil. Die musikalische Begleitung übernimmt Norbert Labatzki und für Stärkung zwischendurch ist an dem Tag ebenfalls gesorgt.