Gelsenkirchen. . Die genauen Zahlen über Influenza-Fällen in Gelsenkirchen dürften höher liegen. Probleme bei der Erfassung. Verlässlicher Test ist kein Standard. Und eine Kostenfrage.

Über wenig Arbeit können sich Ärzte wie Dr. Martina Taschke derzeit nicht beschweren, ihre und die Praxen ihrer Kollegen in Gelsenkirchen sind voll. Unter Erkältungen, grippalen Infekten oder einer Bronchitis leiden viele Menschen, unter den Patienten sind nicht selten auch solche, die von einer echten Grippe (Influenza) attackiert werden. Erst vor ein paar Tagen ist in Essen eine Achtjährige gestorben, die auch an einer Grippe litt. Wie also ist die Lage hier?
„Die Grippe scheint in diesem Jahr vehement aufzutreten“, schildert Allgemeinmedizinerin und Internistin Taschke ihren Eindruck. Oft gehe mit ihr auch eine Lungenentzündung einher, die Patienten litten mehrere Wochen.

Nur Vermutungen zu Fallzahlen

Wie viele Grippe-Fälle es in Gelsenkirchen gibt, darüber lässt sich derzeit nur spekulieren. Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) rechnet mit den Ärzten quartalsweise ab. Das erste Vierteljahr endet heute, danach werden die Behandlungsdaten ausgewertet.
Im Mai erst, so die Auskunft, könnten für die Emscher-Lippe-Region genaue Angaben gemacht werden. Und das örtliche Gesundheitsamt konnte Zahlen gestern nicht mehr liefern.

Auch Martina Taschke kann zu Fallzahlen nur Vermutungen anstellen, das hat aber andere Ursachen. Sie schätzt, dass es recht viele Grippe-Fälle sind. Denn die Krux für die Ärzte liegt darin: „Zwar gibt es einen zuverlässigen Grippe-Test, der gehört aber nicht zum Standard, den wir mit der Kasse abrechnen können“, sagt die Ärztin. Sie und ihre Kollegen behandelten Kranke daher nach den auftretenden Symptomen. Im Verdachtsfall würde Blut abgenommen und auf Antikörper hin (Indiz für Viruserkrankung) untersucht, um mehr Klarheit zu bekommen.

Erschwerend dabei: Grippe und grippeähnliche Erkrankungen ähneln sich. Die Symptome der Grippe treten etwa ganz plötzlich auf und sind häufig viel schwerer als bei einem grippalen Infekt. Bis alle Zweifel ausgeräumt sind, kann schon einige Zeit vergehen.

Nur Virus-Nachweis bringt Sicherheit

Sicherheit bringt ein Virus-Nachweis. Jedoch, der kostet. Pro Quartal und Patient kann ein Arzt rund 30 Euro in Rechnung stellen, ein spezieller Grippe-Test schlägt nach Auskunft der KVWL mit 80 bis 120 Euro zu Buche. Kosten, die bei einer generellen Verwendung solcher Tests „zu Lasten des Budgets für den Sprechstundenbedarf gingen. Und das ist wirtschaftlich nicht darstellbar“, erklärt die Internistin Martina Taschke. Oder eben der Patient zahlt aus eigener Tasche, was allerdings auch nicht alle können.

Anders sieht es bei den Krankenhäusern aus. An den Evangelischen Kliniken, im St. Josef-Hospital, im St. Marien-Hospital, Bergmannsheil sowie an der Kinderklinik und am Marienhospital gehört solch ein Test zur Standardprozedur, falls Menschen mit grippetypischen Symptomen in der Ambulanz nach Hilfe fragen. Fällt der Test positiv aus, werden die Patienten streng isoliert und medikamentös behandelt.

Im St. Josef liefen bislang zehn Verdachtsfälle auf, von denen sich sieben als positiv herausgestellt haben. Das Bergmannsheil Buer verzeichnete in diesem Jahr einen Fall, in der Kinder- und Jugendklinik gab es dagegen keinen Influenza-Patienten. Das Marienhospital konnte auf Anfrage „nicht mit Fallzahlen dienen“, man gab aber indirekt zu, Grippe-Patienten zu haben: „Es handelt sich um Einzelfälle.“

Für die elfte Meldewoche 2016 wurden deutschlandweit bislang 9226 labordiagnostisch bestätigte Influenzafälle an das Robert-Koch-Institut übermittelt (Stand: 22. März).