Gelsenkirchen. Die ersten zehn Bewerber kamen zum Casting in die Studios von von Quest Media and Entertainment Services.
Ahlmannshof 50a, Bismarck. Stahlverarbeiter, Autoteile. Gras durchwuchert den Asphalt, Schrottteile liegen herum. Kein Ort für den Start einer Gesangs- oder Tanzkarriere. Kein Ort? Wer weiß, wo z.B. ein Superstar wie Snoop Dogg herkommt, ein von Gangs terrorisiertes Armenviertel von Los Angeles, weiß: Kein Ort, jeder Ort.
Hier befinden sich auch die Studios von Quest Media and Entertainment Services, die zusammen mit der Awo das Projekt organisieren. Inhaberin Cirsten Piduhn und ihr Mann, der international renommierte Produzent Wayne Graves, haben hier am Sonntag zur ersten Casting-Runde für den Dreh eines Musikvideos geladen, mit dem vor allem ein Zeichen für Integration und Toleranz gesetzt werden soll. „Wir wollen einen schönen kleinen Popsong machen“, sagt Graves. „Mit viel Tanz, Bewegung und glücklichen Gefühlen.“
Die Scheu vor der fremden Kultur nehmen
Mitmachen kann jeder: alt, jung, mittel – mit mehr oder weniger Talent gesegnet. Und rausgeschmissen oder gar beleidigt wie bei fragwürdigen TV-Formaten wird niemand. Wenn sich 20, 30, 40 Teilnehmer finden, so hofft Piduhn, sei sie mehr als zufrieden.
Gekommen sind an diesem Sonntag zehn Anwärter. Sie kommen peu à peu. Und haben Geduld. Und vielleicht eine kleine Hoffnung. Dass sich etwas tut in ihrem Alltag. Etwas Neues. Aufregendes.
Besrina Rustja sitzt still und geduldig auf einem Stuhl, ihr lockiges schwarzes Haar umrahmt das hübsche schmale Gesicht. Neben ihr sitzen ihre Schwester Sindi (15) und der Bruder Arlindi (13). Sie kommen aus Albanien, wohnen seit zwei Jahren in Gelsenkirchen, besuchen die Schule. Sie haben ein Bleiberecht, wieso auch nicht? Sie sprechen einwandfreies Deutsch und sind höflich. Zum Handschlag beim Abschied stehen sie auf.
Besrina ist zwanzig Jahre alt und träumt davon, Krankenschwester zu werden. Oder Sängerin, meint sie etwas schüchtern. Gesangserfahrung habe sie zwar nicht, wie aus ihrem Bewerbungsbogen hervorgeht, aber für ein paar schöne Background-Vocals im Chor wird’s auf jeden Fall reichen. Und für aparte „Moves“ auch.
Für ihre Häme gefeiert oder kritisiert
Talent oder Können – das ist hier gar nicht so sehr gefragt. Damit beschäftigen sich ungelernte Juroren, die für ihre Häme gefeiert oder kritisiert werden. „Wir wollen den Flüchtlingen die Scheu vor einer fremden Kultur nehmen“, erklärt Piduhn das Anliegen. „Musik ist international. Und wer weiß? Im Laufe eines solchen gemeinsamen Arbeitsprozesses können auch Freundschaften geknüpft werden.“
Gedreht wird später an bekannten Locations und Landmarken Gelsenkirchens – von professionellen Kameraleuten. Das Lied wird selbst komponiert – und wahrscheinlich in mehreren Sprachen gesungen. Vielleicht wird dann Melanie Rasch die Lead-Sängerin sein. Das 24-jährige Mitglied der Awo-Jugendgruppe singt den aktuellen Ohrwurm „Lieblingsmensch“, die Instrumentalbegleitung kommt vom Playback. Cirsten Piduhn, ohnehin ziemlich zufrieden mit dem Zuspruch bei dieser ersten Runde, ist ziemlich angetan. „Das war schon ziemlich gut.“
Wer noch mitmachen will – das geht: info@quest-media.de
Woher kommt der Name „Casting“?
Als Casting (aus dem Englischen to cast ursprünglich: angeln, fischen, mittlerweile auch = jemanden für eine Rolle vorsehen) wird der Prozess der Auswahl von Schauspielern, Tänzern, Sängern, Fotomodellen und anderen Künstlern in der Phase der Vorproduktion von Inszenierungen wie zum Beispiel Theater, Oper, Musik, Film- und Fotoaufnahmen bezeichnet.
TV-Castings beliebt und umstritten
Der Begriff wird inzwischen aber auch im Zusammenhang mit der Auswahl von Musikern für Pop-Bands etwa im Rahmen von Talentwettbewerben und Talentshows verwendet. Das eigentliche Vorsprechen, Singen und/oder Tanzen im Rahmen des Castings wird auch Audition genannt, bei Sängern speziell Vorsingen.
Im deutschen Fernsehn erfreuten sich Castings bei Privatsendern lange Zeit großer Beliebtheit, waren zugleich aber auch immer wieder stark umstritten.