Gelsenkirchen. . Liebeskummer und Selbstmordgedanken: Am Consol Theater in Bismarck wagt Johann Wolfgang Goethes Klassiker den Sprung ins Jahr 2016
„Die ganze Welt verliert sich um mich her“, tiefe Verzweiflung und intensive Gefühle bringt die neue Produktion des „Consol-Theaters“ am Samstagabend auf die Bühne, und zwar aus der Feder von keinem geringeren als Johann Wolfgang von Goethe. Seine „Leiden des jungen Werther“ in der Bearbeitung von Joachim Meyerhoff aus dem Jahre 1996 inszeniert Regisseurin Andrea Kramer innovativ, lotet explizit aus, wie aktuell der Stoff des ausgehenden 18. Jahrhunderts heute noch ist.
Moderne audiovisuelle Brücken
Der wunderbar blumigen Sprache des Klassikers stehen moderne, audiovisuelle Brücken zur Seite. Werther, ein überzeugender Alexander Ritter im einstündigen Monolog, darf seine Gefühlswelt auch mit Malereien am Tablet ausdrücken, mittels Beamer an die Leinwand gestrahlt.
Die verklärte Lotte wird zum lila Pony, der Nebenbuhler Albert zu einem braunen Monster, der Protagonist selber zu einem blutroten Strichmännchen, eine Vorwegnahme des tragischen Endes. Wie im Traum drehen sich die bunten Zeichnungen, offenbaren einen wirren Geisteszustand, der nicht in rationale Bahnen findet.
Das „Hören“ wird von Patrick Praschma bedient, der Medienkünstler begleitet „Werther“ mit seiner „Tour de Vinyl“, er thront auf einem Fahrrad, das den Strom für die Musikanlage erzeugt.
Melodien jagen den Werther durch seinen leidenschaftlichen Sommer
Ob „Mondscheinsonate“ oder „Flying through the air“ von Oliver Onion, die Melodien jagen den Werther durch seinen leidenschaftlichen Sommer mit Lotte und verzehrenden Winter in den Staatsarchiven, spiegeln sein Innenleben wieder.
Alexander Ritter aus Karlsruhe und Patrick Praschma aus Essen haben zum ersten Mal miteinander gearbeitet. Die äußerst gelungene Paarung verdankt das Consol-Theater dem sicheren Händchen von Andrea Kramer, die beide für diese Inszenierung zusammengebracht hat.
Ritter schreit, Ritter tanzt, Ritter wütet, sein Werther ist plastisch und glaubwürdig, die Bühnenrealisation mit blumen-und papiergefüllten Regalen bieten eine perfekte Spielwiese. Praschma kommentiert von der Höhe seines „Spinning-Bikes“ aus jede Aktion, mit spöttischem Blick, mit Lauten, mit seiner Musik – mal Lotte, mal Beobachter, mal „Alter Ego“ des leidenden Jungen.
Das Ablehnen der herrschenden Konventionen
Die Inszenierung setzt neben der unsäglichen Pein der unerfüllten Liebe einen großen Fokus auf das Ablehnen der herrschenden Konventionen. „Mäßigen Sie sich“, erinnert sich Werther an Lottes Worte. Er will sich nicht mäßigen, will lieber eine Flasche als ein Glas Wein trinken. Dokumente fliegen, der Tanz wird wilder, der Protagonist zerbricht. Praschma steigt vom Fahrrad, der Strom ist aus, die Energie verloren, die Kerze, die an zwei Enden glühte, abgebrannt. „So sei es denn“, die letzten Worte, Werther hat seinen Freitod beschlossen. Keine Lösungsvorschläge, keine weisen Ratschläge, kein „Happy-End“ – der Stoff ist und bleibt aktuell, muss und darf Jugendlichen (und Erwachsenen) von heute zutrauen, ihre eigenen Antworten auf die Frage zu finden, wie intensiv sie ihr Leben leben wollen und können.
Die Leiden des jungen Werther gehen nach zwei Schulaufführungen im März mit weiteren Terminen im Juni an den Start: 5. Juni um 18 Uhr, am 7. und 8.Juni jeweils um 10.30 Uhr, im Consol-Theater an der Bismarckstraße 240.
Mehr Info und Tickets gibt es an der Theaterkasse und unter Telefon 0209 988 22 82.