Gelsenkirchen. . Mechtild Hohage berät mit ihrer Kollegin Olivera Kuhl in der Caritas-Beratungsstelle „Weg im Blick“ traumatisierten Gelsenkirchenern
Als das Kind von Besuchen beim getrennt lebenden Vater verstört und mit seltsamen blauen Flecken am Körper zurückkehrt, schöpft die Mutter einen unheimlichen Verdacht: Wird mein Kind bei den Besuchen missbraucht?
Sicher ist sie sich nicht – und so wendet sie sich ratsuchend an „Weg im Blick“, die Fachstelle für Opfer sexueller Gewalt bei der Caritas Gelsenkirchen, die seit zwei Jahren im Katholischen Stadthaus an der Kirchstraße 51 in solchen Situationen kostenfreie Hilfe anbietet.
Anlaufstellen dieser Art sucht man in anderen Städten vergeblich. „Auch in Gelsenkirchen fehlte so eine Beratungsstelle lange, das habe ich oft gemerkt, als ich hier bei der Caritas in der Erziehungsberatungsstelle auf Missbrauchsopfer aufmerksam wurde. Deshalb war ich unheimlich froh, als vor zwei Jahren diese neue Anlaufstelle geschaffen wurde“, erklärt Mechtild Hohage, die „Weg im Blick“ gemeinsam mit ihrer Kollegin Olivera Kuhl betreut.
„Pro Jahr finden rund 115 Kinder beziehungsweise zunächst ihre engsten Vertrauenspersonen, meistens die Mütter, den Weg zu uns“, erzählt Hohage. „Rund 40 Kinder werden uns pro Jahr vom Jugendamt vermittelt, mit der Bitte, eine Diagnostik für sie zu erstellen.“
In solchen Fällen nimmt sich Mechtild Hohage Zeit, um die Kinder richtig kennenzulernen. „Oft sind das zunächst fünf bis sechs Treffen – wobei der vermeintliche Missbrauch oder die sexuelle Gewalt bei den ersten beiden Treffen gar nicht thematisiert wird. Da erkunde ich zunächst, auf welchem Entwicklungsstand das Kind ist“, sagt die Therapeutin.
Zuhören ist wichtig
„Erst beim dritten Treffen geht es dann mit Hilfe von Zeichnungen um die Dinge, die dem Kind passiert sind. Ganz wichtig ist mir dabei, zu betonen, dass das Kind nicht Schuld daran ist, dass es missbraucht wurde. Das ist für die Kinder sehr wichtig“, erzählt die Diplom-Sozialpädagogin und Kinder- und Jugendpsychotherapeutin, die auf eine 40-jährige Berufserfahrung zurück blicken kann.
Die Geschichten, die sie dann in ihrer gemütlichen Ecke zwischen Waldorfpuppen und einer imposanten Schneekugelsammlung hört, sind oft haarsträubend – und trotzdem schafft Mechtild Hohage es, die erzählten Erlebnisse nicht zu nah an sich heran zu lassen. „Für mich steht der Aspekt, dass ich hier konkrete Hilfe anbieten kann, im Mittelpunkt“, sagt sie.
Zwischen drei und 17 Jahren waren die Kinder alt, die sie und ihre Kollegin in den vergangenen zwei Jahren betreut haben. Die „ganz schlimmen“ Fälle mit gravierendem Missbrauch leitet sie oft weiter zu niedergelassenen Therapeuten. „Wir sind hier in Gelsenkirchen glücklicherweise richtig gut vernetzt“, betont Mechtild Hohage.
Vernetzung in der Stadt
Die Caritas-Fachstelle „Weg im Blick“ ist eng vernetzt mit „Blickwinkel“, der „Berufsgruppe gegen sexuelle Gewalt“ in Gelsenkirchen, die durch das Mädchenzentrum e.V. in Zusammenarbeit mit dem Frauenbüro der Stadt Gelsenkirchen und der Frauenberatungsstelle im Mai 1991 eingerichtet wurde.
In dieser Gruppe treffen sich regelmäßig Fachkräfte aus den Gelsenkirchener Beratungsstellen mit dem Ziel, durch Kooperation zu einer Koordinierung und Vernetzung der Hilfsangebote in Gelsenkirchen zu gelangen, Präventionsarbeit zu leisten und Fortbildung zu ermöglichen. „Auch ein Arbeitskreis unter dem Dach des Gelsenkirchener Präventionsrates ist auf diesem Gebiet sehr aktiv“, erklärt Mechtild Hohage von der Caritas-Beratungsstelle.
Ihre Fachstelle bietet neben persönlicher und vertraulicher Beratung (Termine können unter 0209 158 06 34 oder per Email an sekretariat@caritas-gelsenkirchen.de vereinbart werden) auch Kurse für Kindertagesstätten oder Grundschulen an. Das Motto lautet „Starke Kinder“ – die kleinen Gelsenkirchener lernen dabei, dass sie „Nein“ sagen dürfen, dass Erwachsene nicht immer Recht haben und wie sie im Fall der Fälle selber Hilfe holen können. Mehr Info zu den Angeboten gibt es auf: caritas-gelsenkirchen.de.