Gelsenkirchen. Ira Levin dirigierte drei Werke der Wiener Klassik beim 4. Sonntagskonzert der Neuen Philharmonie Westfalen im „Kleinen Haus“ – und übernahm den Solopart am Klavier.

Üppig und mit großer Dynamik präsentierte sich am Sonntagabend im „Kleinen Haus“ das 4. Sonntagskonzert der Neuen Philharmonie Westfalen der laufenden Saison, schließlich trat Joseph Haydn an diesem Abend in einen „Dialog“ mit „seinen Erben“ – Ludwig van Beethoven und Wolfgang Amadeus Mozart – die geballte Kraft der Wiener Klassik in einer Veranstaltung.

Drei Takte volle Streicher, Pauke, Pause – mit gewaltiger Intensität startete das Programm mit Beethovens Ouvertüre zum Trauerspiel „Coriolan“ – die 36 Musiker des kompletten Sinfonieorchesters fest im Griff des Gastdirigenten Ira Levin. Der Amerikaner führte mit autoritärer Aura und knappen Gesten durch die brausenden Passagen ebenso wie durch die melodischen. Ausdrucksstarke Celli beenden den aufwühlenden zehnminütigen Ritt mit zarten Seufzern bevor gefühlvolle „pizzicati“ der Violinen den Schlusspunkt setzten. Eine Ausdrucksfülle ganz anderer Couleur bot das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 17 von Mozart. Spielerische Leichtigkeit, jede Verzierung auskostend, vermittelte Levin von Beginn des „Allegro“ an eine reine Opulenz der Töne, setzte sich dann an den Flügel und dirigierte von nun an von dort – während des Spiels mit Blicken, zwischendurch mit der linken Hand. Etwas seltsam anmutend, selten gesehen, und doch effektiv und punktgenau. Erst jetzt wurde den 170 Zuhörern klar, Levin führte durch das Programm ohne Partitur.

Eine Ausdrucksfülle ganz anderer Couleur

Drei Werke komplett aus dem Gedächtnis mit allen Einzelheiten – ein begnadeter Geniestreich. „Auch in den Proben hat er komplett auf die Noten verzichtet, bei Aufforderung zu Wiederholungen die Taktzahlen kurz beim ersten Konzertmeister abgeschaut“, erklärte Pressesprecher Mark Mefsut. Levin ist kein klavierspielender Dirigent oder dirigierender Pianist, er ist beides in Einheit. Wie vollendet die Dialoge von Klavier und Holzbläsern oder Klavier und Streicher, die Musiker der NPW „netzwerkten“ in den Momenten, in denen Levin am Flügel versunken ist, hatten den Leiter aber immer im Blick. Seine reinen solistischen Qualitäten zeigte Levin vor der Pause mit einer betörenden „Barcarole“ von Frederic Chopin, einen Hauch dieses romantischen Anschlags hatte er schon in einige Mozartpassagen einfließen lassen. Die Sinfonie Nr. 102 von Joseph Haydn mit ihrer energischen Leuchtkraft schloss den Bogen zum Ursprung der Wiener Klassik - ein großartiges Finale.