Gelsenkirchen. Mediziner und Therapeuten informierten in den Evangelischen Kliniken, wie man lange beweglich und kräftig bleibt und Stürze vermeidet.
Stürze sind immer ein großer Schreck – je älter man ist, desto häufiger haben sie aber schlimme Folgen. Wie man dem entgegen wirken kann, das erklärten Mediziner und Physiotherapeuten beim WAZ Medizinforum in den Evangelischen Kliniken.
„Es gibt viele Ursachen für Stürze. Eine wichtige ist die Sarkopenie“, erklärte Dr. Brunhild Wissuwa, Chefärztin der Klinik für Geriatrie. Dahinter verbirgt sich eine krankhafte Abnahme der Muskulatur. „Wir unterscheiden in drei Stadien“, so die Medizinerin. In Stadium 1 geht Muskelmasse verloren, die Kraft bleibt aber noch erhalten.
In Stadium 2 ist ein Verlust an Kraft zu verzeichnen. Im dritten kommt beides zusammen. „Zunächst ist der Verlust an Muskelmasse ein normaler Alterungsprozess. Ab dem 40. Lebensjahr verliert der Mensch ein bis zwei Prozent seiner Muskelmasse pro Jahr. Besonders betroffen sind die weißen, schnellen Muskelfasern, die wichtig sind für Ausgleichsbewegungen.“ Also für die, die einen auffangen, wenn man das Gleichgewicht verliert. Besonders problematisch: „Die Abnahme an Muskelmasse wird ausgeglichen durch eine Zunahme an Fettmasse.“
"Schon etwas anspruchsvoller ist der „Aufstehtest"
Der krankhafte Muskelschwund, so Wissuwa, werde verursacht durch fehlende körperliche Aktivität, ungesunde Ernährung und Begleiterkrankungen. Das Risiko von Stürzen und ernsthaften Verletzungen steige.
Die Gäste des Medizinforums interessierte vor allem eines: Wie kann man feststellen, ob man selbst vom Muskelschwund betroffen ist? Hier halfen die Physiotherapeutinnen Carolin Otto und Anja Kreter. Denn es gibt einige Tests, die man zum Teil selbst durchführen kann. Die Geschwindigkeit des Gehens etwa kann Aufschluss geben. Die sollte auf einer Distanz von zehn Metern unter 12,5 Sekunden sein. „Darunter sollten sie es schaffen, sonst könnten sie an der Ampel zum Beispiel Probleme bekommen“, so Carolin Otto. „Schon etwas anspruchsvoller ist der „Aufstehtest“.
Wer ihn absolvieren will, sollte sich auf einen Stuhl setzen, die Arme überkreuzen und die Hände auf die jeweils gegenüberliegende Schulter legen. Nun muss man es schaffen, innerhalb von elf Sekunden fünf Mal aufzustehen und sich wieder zu setzen. Für einen dritten Test, das Messen der Handkraft, braucht man allerdings ein spezielles Gerät.
Einige leichte Übungen vorgestellt
Doch was kann man tun, wenn man schon betroffen ist oder dem Muskelschwund entgegen wirken will? Da ist zum einen die Bewegung. Einige leichte Übungen wirken bereits Wunder, so die Physiotherapeutinnen, die solche auch gleich mit ein paar Freiwilligen durchführten. Bei der ersten hilft ein Besenstiel. „Den halten sie schulterbreit, bauen Spannung auf und drücken die Arme nach außen.“ Nach zehn Wiederholungen wandert der Stab auf die Rückenseite. „Spannung aufbauen und nach hinten wegdrücken.“ Für die untere Muskulatur kann der „Aufstehtest“ verwendet werden. „Da stehen sie nicht ganz auf und halten diese Position zehn Minuten.“
Auch die richtige Ernährung kann helfen. Hier heißt der Schlüssel zum Erfolg: Eiweiß. „Neue Studien haben gezeigt, dass ältere Menschen einen höheren Eiweißbedarf haben. Ich empfehle 25 bis 30 Gramm Eiweiß pro Mahlzeit“, so Wissuwa. „Besonders gut aufgenommen vom Körper werden Milch, Quark und Käse. Am schnellsten aber wird Molke verwertet.“ Die enthalte auch den Muskelaufbau-Stoff Leucin.
Zudem riet die Medizinerin den Besuchern zur Einnahme von Vitamin D. Das könne der Körper zwar theoretisch selbst produzieren, jedoch nicht im Winter und auch nicht, wenn man Sonnenschutzmittel verwendet. „Realistisch kann es auch nicht über die Nahrung aufgenommen werden. Dafür müsste man täglich 250 Gramm Rinderleber essen.“
Patienten sollen sich schnell wieder bewegen
Stürzen ältere Menschen, sind häufig Brüche die Folge. Ein Fall für Botond-Dezsö Benedek, Oberarzt der Klinik für Unfallchirurgie. „Wir verzeichnen am häufigsten Brüche des Handgelenks, der Schulter und der Hüfte.“ Nicht selten, so der Mediziner, seien Operationen notwendig, um eine optimale Heilung zu gewährleisten.
„Die Behandlung hängt immer von der Komplexität des Bruches ab.“ Oftmals sei der Einsatz einer Platte oder, im Fall von Schulter und Hüfte, einer Prothese nötig. Die Angst davor sei aber unbegründet, so Benedek. Denn nach einem solchen Eingriff können und sollen die Patienten sich kurz nach dem Eingriff wieder bewegen. Und hierin liegen der Fortschritt und die Vorteile für den Patienten. „So werden Infektionen aller Art vermieden, Thrombosen und auch eine eingeschränkte Darmfunktion.“
Alles Risiken die auftreten, wenn ältere Menschen längere Zeit im Bett liegen. „Die Muskulatur wird wieder aufgebaut und die Einsteifung wird vermieden. Durch diese modernen Operationstechniken konnte die Sterblichkeitsrate nach komplizierten Brüchen deutlich gesenkt werden.“