Gelsenkirchen. . Der 58-Jährige hat als Geschäftsführer des Jobcenters die Nachfolge von Reiner Lipka angetreten. Als dessen Vize hat er nach zehn Jahren nur das Büro gewechselt.
49.700 Kunden, Tendenz steigend. „Es könnten in diesem Jahr 50.000 werden“, sagt Dirk Sußmann. Wobei allein die aktuelle Kundenzahl erschreckend ist. Sie dokumentiert den Ist-Stand der Leistungsbezieher nach Sozialgesetzbuch (SGB) II. Eine Herkulesaufgabe, die Sußmann als neuen Geschäftsführer des Integrationscenters für Arbeit in Gelsenkirchen (IAG) erwartet.
Aber der 58-Jährige betritt ja kein Neuland. Zehn Jahre lang hat er Seite an Seite mit Reiner Lipka als dessen Vize zusammengearbeitet. Lipka schied Ende 2015 aus dem Amt und hat sich unter die Ruheständler gemischt; Sußmann trat seine Nachfolge an.
Verlässlichkeit und Wertschätzung
„Wir haben uns ergänzt und in die gleiche Richtung gedacht. Und wir haben die gleiche Philosophie im Umgang mit Menschen: Verlässlichkeit und Wertschätzung gegenüber Arbeitslosen“, fasst der Bueraner mit Wohnsitz Gladbeck die prägenden Elemente der gemeinsamen Jahre zusammen. Nach dem Ausstand des bekennenden Rott hausers Lipka sitzt jetzt ein nicht minder überzeugter Gelsenkirchener in dessen Büro auf der 14. Etage des „gelben Turms“ Ahstraße 22. „Es ist viel wert, wenn man in diesem Job mit dem Ruhrgebiet verwurzelt ist“, sagt Sußmann, der sein Studium an der Fachhochschule für Wirtschaft und Verwaltung – natürlich in Gelsenkirchen – als Diplom-Verwaltungswirt abschloss.
Was er als besondere Herausforderung sieht? Der Chef des Jobcenters sagt’s diplomatisch: „Wenn man die Jahre betrachtet, so hatten wir immer besondere Herausforderungen.“ Aktuell ist das etwa eine ganz praktische: Die Deutsche Angestellten-Akademie (DAA) zieht innerhalb des Hauses Ahstraße 22 komplett ins fünfte Stockwerk. Die Eingangszone des Jobcenters zieht von Ebene zwei auf eins. „Und wir mieten die Räume des Sozialgerichts an“, ergänzt er. Heißt: „Wir werden in diesem Jahr 420 Arbeitsplätze im laufenden Betrieb bewegen. Ich bin optimistisch, dass wir das hinkriegen, auch wenn das eine logistische Herausforderung ist.“
Zuwanderung und Flucht lassen den Personalbedarf steigen
629 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt das IAG. Aber: „Wir erleben im Augenblick, dass Zuwanderung und Flucht den Bedarf steigen lassen. Perspektivisch sieht es so aus, dass wir weiteres Personal brauchen werden“, kündigt Sußmann vorsorglich an. 95 Prozent der Geflüchteten, die beim Jobcenter Hilfe suche, sind laut Sußmann Syrer. „Wir haben dafür verschiedene Programme aufgelegt, etwa ,Sprache und Arbeit’, das heißt 50 Prozent Sprache lernen, 50 Prozent Teilnahme an berufsorientierten Maßnahmen.“ Kritisch setzt der 58-Jährige nach: „Ich bin dagegen zu sagen, die Leute lernen jetzt erstmal nur die Sprache.“ Seine Grundhaltung: „Ich freue mich über jeden, der Arbeit findet.“
Freizeitmagier und Fußballfan
6400 Langzeitarbeitslose haben 2015 eine versicherungspflichtige Tätigkeit aufgenommen, 600 mehr als 2014. Zielmarke 2016: „Da sollen es noch mal 300 mehr werden“, wünscht sich Sußmann, der erklärte Schalke-Fan. Der früher in der Katakombe in Buer als DJ aufgelegt hat, der selbst bis 2015 hobbymäßig gekickt hat, der, ja!, begeisterter Zauberer war. „Zaubern ist eine Illusion. Wenn man weiß, wie es geht, ist das erst einmal ernüchternd.“ Sußmann lacht – und weigert sich, den Schwebetrick zu verraten. Magierehre eben ...
Bundesprogramm setzt hohe bürokratische Hürden
„Mit Mitteln des SGB II kann man Strukturprobleme nicht lösen. Wir wollen die Menschen in Arbeit bringen, um sie zu qualifizieren“, sagt Sußmann – und ist damit beim sozialen Arbeitsmarkt. „Den brauchen wir.“ Die Nahles-Programme allerdings, so wichtig jeder Arbeitsplatz im Sinne sozialer Teilhabe sei, „sind in der Verwaltungsumsetzung schwierig“, so der IAG-Chef. „Der politische Beschluss ist gut, aber da ist unendlich viel Bürokratie aufgebaut.“
Dirk Sußmann kündigt an, was er vor ein paar Tagen auch im Sozialausschuss mitteilte: „Wir werden unsere Kritikpunkte bei der Umsetzung des Bundesprogramms erfassen.“ Kritik etwa an den Zuwendungsbescheiden, mit denen auch Arbeitgeber zu tun haben. Arbeitsministerin Andrea Nahles wird die Sammlung der Nachbesserungswünsche erhalten. Wie dramatisch die Lage grundsätzlich ist, dafür spricht eine traurige Platzierung: Unter den 408 Jobcentern in der Bundesrepublik liegt GE auf Rang 19, gehört damit bundesweit zu den größten.