Gelsenkirchen. . Mit einem Liederabend allererster Güte beschenkte der Tenor Gerhard Siegel das allzu kleine Publikum im Kleinen Haus des Musiktheaters im Revier.

Lieder von Franz Schubert, Richard Strauss, Arnold Schönberg und Hugo Wolf standen auf dem „Hör.Genuss – Zueignung“ betitelten Programm. Gekommen waren ca. 45 Kenner – dass es nicht mehr waren, hatte sicherlich nichts mit Karneval zu tun. Da gibt es keine Schnittmenge. Dennoch hätte dieser Abend im Kleinen Haus des MiR ein paar mehr Gäste verdient gehabt. Schließlich stand mit Gerhard Siegel ein profilierter Tenor auf der Bühne. Virtuos begleitet wurde er von Gabriel Dobner am Flügel.

„Ich möchte Gelsenkirchen einen Liederabend schenken“, zitierte Moderatorin Anna Grundmeier ein vorangegangenes Telefonat mit Siegel. Und in der Tat: Ein schöneres Geschenk hätte sich dieser Siegfried (eine seiner herausragenden Partien) kaum ausdenken können.

Lyrische Zartheit durchzog diesen durchweg gelungenen Auftritt. So atonal manches Werk von Strauss wirken mag, so mathematisch kühl-präzise ein Großteil des Zwölftöners Schönberg anmutet – nichts davon in den Liedern, die Siegel mit sichtlicher Liebe zu Gehör brachte.

Mit wagneresker Kraft und am Piano optimal begleitet

„Alle Blumen, alle Farben löscht sie aus“ heißt es in Strauss‘ „Die Nacht“. „Sie wird nicht müd‘, sie wird nicht matt, der Weg ist stets ihr neu“, lässt Superromantiker Schubert die „Taubenpost“ besingen. Sie ist „die Botin treuen Sinns“. „Jetzt hat der Spaß ein End‘“ aus Wolfs „Der Tambour“ ist eine der wenigen Stellen, bei denen Siegel geradezu szenisch sprach und sein dramatisches Talent zur Geltung brachte.

Überraschend und fast frivol die 1901 uraufgeführten „Brettl-Lieder“ Schönbergs. Französisch inspiriert sind die Kabarett-Chansons „Galathea“ und „Gigerlette“. „Dir zu küssen deine Füße, weil sie so verlockend sind“ schwärmt er in „Galathea“. Und in „Gigerlette“ steigerte sich Siegel zu wagneresker Kraft und holte alles raus aus der gut geölten Lunge.

Siegel traf jeden Ton. Eine solche Beherrschung der eigenen Stimme ist auch bei einem Profitenor nicht unbedingt zu erwarten. Selbst den Größten kann das Organ mal wegbrechen – das gehört zum Job, ist ein Berufsrisiko, das die Sache spannend macht. Pianist Dobner begleitete den 53-Jährigen fabelhaft, er traf jede Taste. Begeisterter Applaus.