Gelsenkirchen. Seit zehn Jahren ist Markus Töns (52) für die SPD Mitglied im Düsseldorfer Landtag. In unserem Interview äußert er sich auch zur Sicherheitslage.

Seit zehn Jahren sitzt Markus Töns (52) für die SPD im Landtag in Düsseldorf. Der studierte Politologe wohnt und lebt in Gelsenkirchen. Der Ausschuss der Regionen (AdR) in Brüssel beschloss im Februar 2015 eine von ihm federführend verfasste Stellungnahme zum Transatlantischen Handelsabkommen (TTIP). Markus Töns ist Vertreter für Nordrhein-Westfalen im AdR. Im WAZ-Interview mit Friedhelm Pothoff ist auch die Sicherheitslage in seiner Heimatstadt ein Thema.

Herr Töns, mit dem Blick auf die Berichterstattung Bochumer Straße, was sagen Sie dazu?

Markus Töns: Die beschäftigt mich, die beschäftigt uns alle sehr intensiv.

In welche Richtung?

Töns: Der Vorfall ist auf das Schärfste zu verurteilen. Ich finde aber auch, dass er zeigt: Es gibt in Gelsenkirchen keine No go-Areas.

Das müssen Sie erläutern.

Töns: Die Polizei hat entschieden reagiert und deutlich gemacht, dass der öffentliche Raum allen gehört und Angriffe auf die Polizei unmittelbare und harte Konsequenzen haben.

Da kann man gegenhalten, dass Menschen, die sich nicht im Streifenwagen durch die Stadt bewegen eine andere Wahrnehmung haben.

Töns: An der Stelle müssen wir, glaube ich, unterscheiden. Es gibt eine objektive Sicherheit, von der ich denke, dass sie in Gelsenkirchen gewährleistet ist und Stadt und Polizei gemeinsam alles dafür tun, dass es so bleibt. Und es gibt eine subjektive. Die hat, da mögen Sie recht haben, wohl gelitten.

Was nicht nur an dem Vorfall auf der Bochumer Straße liegt.

Töns:Nein, das hat wohl etwas mit der allgemeinen Situation zu tun. Auch mit Köln, aber auch mit noch anderen Aspekten.

Die da wären?

Töns: Mir bereitet die zunehmende Respektlosigkeit gegenüber Polizei, Rettungskräften und Feuerwehr große Sorge. Wir brauchen dringend eine gesellschaftliche Debatte darüber, welchen Wert wir den staatlichen Institutionen und dem Rechtsstaat beimessen. Gelsenkirchen war nie ein rechtsfreier Raum und wird es auch nicht werden.

Trotzdem bleiben die Ängste.

Töns: Ängste sind immer irrational. Wir müssen innerhalb der Gesellschaft daran arbeiten, sie zu beseitigen. Dazu gehört es auch, die Situation mit den Flüchtlingen zu meistern.

Wo liegt für Sie hier der Schlüssel zum Erfolg?

Töns: Das geht nur über die Integration. Zunächst über Bildung und Deutschkurse, später über Arbeit. Wenn die Menschen so Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens werden, verhalten sie sich auch anders.

Dann muss man aber auch entsprechend handeln.

Töns: Was meinen Sie?

Man muss genügend Geld für die Umsetzung der Integration in die Hand nehmen und etwa Deutschkurse jenen überlassen, die dem fachlich gerecht werden.

Töns: Da bin ich ganz nah bei Ihnen. Wer Sprache unterrichtet, sollte eine Ausbildung mit pädagogischem Hintergrund absolviert haben. Im besten Fall ist er ein Lehrer.

Trotzdem stoßen wir an Grenzen.

Töns: Vielleicht.

Weil?

Töns: Weil wir nur eine bestimmte Zahl tatsächlich integrieren können. Das ist auch eine Frage der Kapazitäten.

Wie sieht die Lösung aus?

Töns: Eine gerechtere Verteilung innerhalb der EU. Die bekleckert sich derzeit in dieser Frage gar nicht mit Ruhm. Man kann nicht nur nehmen, man muss auch geben.

Stichwort EU, Sie sind ein Experte in der Diskussion um das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA, das seit Juli 2013 verhandelt wird. Auf dem DGB-Neujahrsempfang in Gladbeck war noch einmal ein beeindruckendes Bild von der Großdemo in Berlin zu sehen... ...

Töns: da war von 500 000.Teilnehmern die Rede, das war beeindruckend.

Wie ist der Stand?

Töns: Es gibt derzeit keine große Bewegung. Im November wurde verhandelt, am 12. Februar wieder. Es soll, so die Ankündigung, bis November dieses Jahres ausverhandelt sein.

Glauben Sie das?

Töns: Nein. Dazu ist die Kluft zwischen den Verhandlungspartnern zu groß. Dann kommt im Herbst 2016 die Präsidentschaftswahl in den USA, 2017 bei uns die Bundestagswahl. In dieser Phase will niemand sich mit diesem Thema belasten.

Das heißt vor 2018 werden wir nichts mehr hören? 

Töns: Ich glaube, es wird vorher kein Ergebnis erzielt werden.

Was ist denn die größte Hürde?

Töns: Hürden gibt es einige. Rund 90 Prozent aller Kritikpunkte, die aus den Ländern kommen, bestehen noch. Eines mit sehr viel Gewicht ist etwa das Investitionsschutzabkommen. Was wiederum gelöst erscheint, ist das Aufrechterhalten der Buchpreisbindung.

Was nicht unwichtig, aber nicht das gravierendste Problem sein dürfte.

Töns: Ein Beispiel etwa sind Ausschreibungen. Während sich 80 Prozent der US-Firmen hier uneingeschränkt und diskriminierungsfrei beteiligen können, gilt in den USA das Buy-American-Gesetz, das dort bundesstaatlich geregelt ist und eine Teilnahme von europäischen Firmen nicht vorsieht.

Das lässt sich doch niemand gefallen.

Töns: Das ist ein Hemmnis. Dagegen könnte man mit Blick auf die Zölle sicherlich eine Einigung erzielen.

Glauben Sie an ein positives Ende dieser Verhandlungen?

Töns: Nein. Vor allem dann nicht, wenn in den Parlamenten der EU-Staaten einzeln darüber abgestimmt wird. Nur ein Land muss dagegen sein und eine Umsetzung ist nicht möglich. In Österreich, beispielsweise, ist der Widerstand gegen TTIP deutlich stärker als bei uns.

Herr Töns, noch eine sehr persönliche Frage. Wie geht es Ihnen?

Töns: Wie meinen Sie das?

Sie haben stark abgenommen, waren lange nicht auf der politischen Bühne im Landtag aktiv.

Töns: Mir geht es gut. Ich hatte eine Magen-OP, die mich rund zehn Wochen außer Gefecht setzte. Aber nun ist das vorbei. Am Montag hatte ich meinen ersten echten Arbeitstag. Fraktionssitzung in Düsseldorf, dann Unterbezirksvorstand in Gelsenkirchen. Da war ich 12, 13 Stunden unterwegs. Das hat mir richtig gut getan nach der Zwangspause.

Und der Gewichtsverlust?

Töns: Hängt mit der Operation zusammen, die in den Evangelischen Kliniken hervorragend verlaufen ist.

Wie viele Kilos sind runter?

Töns: 15.

Da brauchen Sie für 2016 keinen guten Vorsatz mehr, oder?

Töns: (lacht) Nicht beim Gewicht. Ich habe 70,5 Kilogramm. Dass ich die hatte, ist lange her. Ich glaube noch nicht mal bei meiner Hochzeit.

Was sagt Ihre Frau?

Töns: Halt das mal.