Gelsenkirchen. . Das Gericht hat entschieden, dass EU-Ausländer bei längerem Aufenthalt Sozialhilfe beziehen können – auch wenn sie von Hartz IV ausgeschlossen sind.

Die Rechnung, wie viel es Gelsenkirchen kosten könnte, wenn das jüngste Urteil des Bundessozialgerichtes zu Ansprüchen auf Grundsicherung für EU-Zuwanderer tatsächlich Rechtskraft hat und grundsätzliche Bedeutung bekommt, mag Stadtkämmerin Karin Welge noch gar nicht aufmachen: „Das sind Gedankenspiele. Ich mag keine ,Worst-Case’-Szenarien entwerfen. Wir warten erst einmal auf die Urteilsbegründung.“ In Gelsenkirchen leben derzeit über 6000 Zuwanderer aus EU-Ländern.

Sozialhilfe als Ermessensleistung

Das Bundessozialgericht in Kassel hatte entschieden, dass EU-Ausländer bei einem längeren Aufenthalt in Deutschland Sozialhilfe beziehen können – auch wenn sie von Hartz IV ausgeschlossen sind. Dass sie keinen dauerhaften Anspruch auf Hartz IV-Leistungen haben, wenn sie nicht mindestens ein Jahr lang sozialversicherungspflichtig hier gearbeitet haben, haben die Richter dabei bestätigt. Sie verwiesen aber auch auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrecht auf Sicherung des Existenzminimums. Bei von Hartz IV ausgeschlossenen EU-Bürgern müssten daher die Sozialämter prüfen, ob Sozialhilfe als Ermessensleistung zu gewähren ist.

Bei EU-Zuwanderern, die mindestens ein halbes Jahr in Gelsenkirchen sind, müsste zumindest Sozialhilfe gezahlt werden. In der Regel ist das etwa ebenso viel wie Hartz IV.

Kämmerin sieht Verteilungsgerechtigkeit gefährdet

Das Urteil habe (nicht nur) sie sehr überrascht, betont die Kämmerin. Schließlich konterkariere es das seit Einführung der Hartz-IV-Regelung gültige System. „Auf dem Fördern und Fordern fußt alles. Die Jobcenter kümmern sich um die arbeitsfähigen Menschen. Sozialhilfe kommt für die in Frage, die weniger als drei Stunden am Tag arbeiten können oder im Rentenalter sind.“

Die Kämmerin sieht durch das Urteil – sollte es grundsätzliche Bedeutung bekommen – die Verteilungsgerechtigkeit gefährdet. Sie hofft entsprechend auf ein Korrektiv in der Urteilsbegründung, das diese Entscheidungen lediglich als Einzelfälle charakterisiert. Mit der Urteilsbegründung wird im Januar gerechnet.