Gelsenkirchen. Für Judith Neuwald-Tasbach, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde ist der 9. November ein höchst persönlicher Gedenktag.
Der 9. November, der Tag, an den 1938 abends der braune Mob tobte und die Synagogen in Deutschland brannten, ist für Judith Neuwald-Tasbach ein Tag der persönlichen Rückbesinnung – und „ein total schwerer Tag“.
An dem Tag, sagt die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, „rückt mir furchtbar nah, was passiert ist, und dass die Stimmung gegen Juden so furchtbar schnell umgeschlagen ist. Dann denke ich an meine Eltern und daran, dass von 1800 Juden kaum einer nach Gelsenkirchen zurück gekommen ist. An diesem Tag kommt auch immer die Erinnerung, die nicht meine persönliche ist, an diesen sinnlosen Massenmord, daran, wohin Hass und Respektlosigkeit führen. Dann stellt man sich die ganzen Fragen, die keiner beantworten kann, fragt: Warum nur?“ Und gleichzeitig, sagt die Gemeindevorsitzende, „bin ich froh, dass wir wieder hier sind“, dass sich traditionell in Gelsenkirchen „so viele Leute“ am Gedenken an den 9. November beteiligen.
"Keine Schuldgefühle mitnehmen"
Dass der Zug am Kriegerdenkmal am Schalker Verein vorbeiführt, das in der NS-Zeit entstand und – jüngst ergänzt um einen Gedenkstein und eine Texttafel – als Mahnmal für die Kriegstoten stehen soll, sieht die Vorsitzende pragmatisch: „Ich denke, dass die Stadt einen guten Weg gefunden hat, das in den richtigen Blickwinkel zu rücken.“
Beim Schweigemarsch ist Neuwald-Tasbach abends dabei. Mittags war sie schon am Zielpunkt, dem Alten Jüdischen Friedhof. Nachkommen von Holocaust-Überlebenden hatten Montag Gelsenkirchen besucht und auch den Wunsch geäußert, ihren dort begrabenen Angehörigen einen Besuch abzustatten.
„Ich fühle mich gut, wenn ich sehe, dass die Stadt den Erinnerungen Raum gibt“, sagt Judith Neuwald-Tasbach. Allein rückwärts gewandt betrachtet sie den 9. November nie: „Ich möchte, dass wir keine Schuldgefühle mitnehmen, sondern das Wissen darum und die Verantwortung, gegen Unterdrückung aufzustehen, damit die Menschen das nie vergessen und so etwas nie wieder zulassen.“