Gelsenkirchen. 2053 Jugendliche konnten sich dieses Jahr nur auf 1396 Plätze bewerben. 113 Stellen in Gelsenkirchen blieben unbesetzt.

Karl Tymister, Leiter der Agentur für Arbeit Gelsenkirchen, und Dr. Josef Hülsdünker, Vorsitzender der DGB-Region Emscher-Lippe, sitzen an diesem Tag beim Pressegespräch zur Lage am Ausbildungsmarkt in der Arbeitsagentur an der Vattmannstraße nicht nur Seite an Seite, sie üben auch in ihren Aussagen den Schulterschluss:

„Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt ist besorgniserregend, sowohl wenn es darum geht, Jugendliche mit einem Ausbildunsgplatz zu versorgen, aber auch bei Firmen, die sich mit Blick auf die demographische Entwicklung und den Fachkräftemangel zukunftssicher aufstellen wollen“, glaubt Tymister. Und Hülsdünker ergänzt: „Wir sind in einer schwierigen Situation. Die einen, weil sie nicht die Fachkräfte finden, die sie brauchen, und auf der anderen Seite haben wir tausende Jugendliche in der Region, die keinen Weg in die Ausbildung und den ersten Arbeitsmarkt finden, auch weil sie noch nicht ausbildungsreif sind.“ Für den DGB-Chef steht fest: „Wir müssen uns alle im Kern drauf fokussieren, die Ausbildungslage in der Stadt zu verbessern“. Dazu gehöre, Hilfsangebote „noch viel personenzentrierter anzubieten“ und – von den Eltern bis zu den Arbeitgebern – eine gezieltere Ansprache zu ermöglichen.

Im Agenturbezirk Bottrop und Gelsenkirchen hat es dieses Jahr 2954 Bewerber (-246) für 1901 Stellen (-29) gegeben. Absolut blieben bislang 156 Stellen unbesetzt und 71 Bewerber unversorgt (51 in GE, 20 in Bot). In Gelsenkirchen allein gab es 2053 (-138) Bewerber für 1396 Stellen (+68). Das Plus konnte den Einbruch in Bottrop nicht auffangen. Hier fallen mit dem auslaufenden Betrieb auf Zeche Prosper 100 Ausbildungsstellen weg. Die RAG hatte in den letzten Jahren stets über Bedarf ausgebildet, Betriebe im Umfeld haben davon profitiert. „Für den industriell-technischen Bereich ist das ein dicker Einbruch“, stellt Christoph Pieper, Geschäftsbereichsleiter Bildung der IHK Nord Westfalen fest. Und auch er meint: „Dieser Ausbildungsmarkt kann nicht zufrieden stellen“, selbst wenn die Betriebe der Emscher-Lippe-Region überproportional ausbildeten. „Wir liegen da im oberen Drittel“.

Die Wirtschaftslage schätzt man im Handwerk gut ein

Mehr müsste es sein, glauben alle Beteiligten. Und es brauchte weitere Instrumente, um die große Gruppe von Jugendlichen, die noch nicht reif sind für eine Ausbildung, unterzubringen. Pieper: „Die dürfen wir nicht als verlorene Generation betrachten. Das können wir uns nicht leisten, weil wir sie auf Dauer auch brauchen werden.“ Was Pieper in Firmen vermisst, ist die „strategische Personalentwicklung. Das machen viel zu wenig Unternehmen.“

Die Wirtschaftslage schätzt man im Handwerk gut ein. „Hier läuft es gut, das Handwerk blickt optimistisch aufs nächste Jahr“, daher sei es „sehr bitter“, dass in Gelsenkirchen zwölf Prozent weniger Ausbildungsverträge geschrieben wurden, findet Knut Heine, stv. Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer. Die Konsequenz? „Die Betriebe müssen sich als attraktive Arbeitgeber darstellen“, auch in Konkurrenz zum Studium. Vor Ort für die Ausbildung und die Jugendlichen zu werben“, sieht auch Egbert Streich, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Emscher-Lippe-West als Aufgabe. „das Handwerk“, sagt er, habe schon immer über Bedarf ausgebildet, aber wir sehen auch: Unsere Zahlen gehen zurück.“

Arbeitslosenquote steigt gegen den Trend

Bundesweit den niedrigsten Stand bei den Arbeitslosenzahlen seit 24 Jahren meldete die Agentur für Arbeit für den Oktober. Für Gelsenkirchen gilt das nicht: Diesen Monat waren hier 18 983 Personen arbeitslos gemeldet, 88 mehr als im September. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich um 0,1 Prozentpunkte auf 15,1 Prozent.

Doch auch die hiesige Agentur sieht positive Trends: „Die tatsächliche Unterbeschäftigung (23 875 Personen, -113) ging zwar gegenüber September weiter zurück, jedoch zeigt sich diese gute Entwicklung nicht in der Arbeitslosenstatistik. Die Arbeitslosenzahl ist leicht gestiegen, unter anderem weil weniger Menschen an Arbeitsmarktprogrammen des Integrationscenters für Arbeit Gelsenkirchen teilgenommen haben“, so Karl Tymister, Leiter der lokalen Agentur für Arbeit. „Erfreulich ist aber, dass sich die Zahl der jüngeren Arbeitslosen weiter verringert hat“. Aktuell waren in Gelsenkirchen 1687 junge Menschen unter 25 Jahre arbeitslos gemeldet, 81 weniger als im September, aber 23 mehr als im Oktober 2014.

Im Integrationscenter für Arbeit Gelsenkirchen wurden 16 161 Arbeitslose gezählt, 151 mehr als im Vormonat. 85,1 Prozent der Arbeitslosen in Gelsenkirchen erhalten damit aktuell Hartz IV.

Unternehmen meldeten der Arbeitsagentur 439 neue offene Stellen, 81 weniger als im Vormonat.