Gelsenkirchen. Beim Emscherbau in Gelsenkirchen hat sich die Bohrmaschine durch die letzten 470 Kanalmeter gefräst. Insgesamt wurden 42,8 Kilometer Rohre verlegt.
„Isabel“ hat es hinter sich. 130 Tonnen schwer ruht die Bohrmaschine auf Grund, abgekoppelt vom Antrieb, der sie mit bis zu 10.000 Kilonewton durch den Untergrund getrieben hat. „18 bis 20 Meter pro Tag. Wenn es gut läuft“, sagt Egbert Hohmann, Bauleiter für den Bauabschnitt 31. Am 4. August ist die mächtige Maschine im Startschacht am Nordsternpark angefahren worden, hat sich 470 Meter weit von West nach Ost vorgebohrt ins Zielgebiet jenseits der Grothusstraße. Nun ist sie angekommen, an der Zwischenstation für ein Mammutprojekt. Der AKE, der Abwasserkanal Emscher, liegt – bis zu 40 Meter tief – auf 35 Kilometern zwischen Dortmund und Bottrop.
Auch interessant
Mit Seitenkanälen wurden insgesamt 42,8 Kilometer Rohre verlegt. Der Durchbruch wird Montag von der Emschergenossenschaft gefeiert – mit geladenen Gästen, mit dem obligatorischen Druck auf einen Roten Knopf – und einem Durchbruch-Video. Denn eigentlich ist „Isabel“ schon am 8. Oktober im Zielschacht im Pumpwerk der Emschergenossenschaft in Heßler angekommen. Bewegte Bilder geben einen Eindruck davon, wie sich der Bohrer mit Macht und seinen riesigen Schneidzähnen an der Vortriebsmaschine knirschend und mahlend aus dem Dunkel ins Licht frisst, einen dunkelgrauen Gesteinsbrei „erbricht“, wie er Platz schafft für die bis zu 3,80 Meter dicken Kanalrohre.
Dortmunds OB Sierau spricht von einem Leuchtturmprojekt
Montag ist Ruhe im Schacht. Die Redner haben das Wort. Von einem „Leuchtturmprojekt, von dem sich andere eine dicke Scheibe abschneiden und auf jeden Fall lernen können“, spricht der Dortmunder Oberbürgermeister Ulrich Sierau und zeigt sich sicher: „Wir alle werden neue Siedlungs- und Freizeitbereiche bekommen. Das wird die ganze Metropole Ruhr nach vorne bringen.“
4,5 Milliarden Euro Gesamtbudget setzt die Emschergenossenschaft bis 2030 für den Emscherumbau an. Der Fluss wird vom Abwasser befreit, in großen Teilen renaturiert. Allein in Gelsenkirchen, rechnet Jochen Stemplewski, der Vorstandsvorsitzende der Emschergenossenschaft, werden 640 Millionen Euro investiert, 414 Millionen sind schon verbaut. „Wir sind durch, und das noch voll im Zeitplan. sage noch einer, es gäbe in Deutschland nur Großprojekte, die an die Wand fahren“, feiert Stemplewski den Erfolg im „vermutlich größten Abwasserkanal in Europa“.
Gelsenkirchen war Dreh- und Angelpunkt für die Großbaustelle und den Baukonzern Wayss & Freytag (W & F), der mit dem zentralen Bauprojekt und einem 430 Millionen-Euro-Auftrag (dem größten, den die Emschergenossenschaft bislang vergeben hat) betraut wurde. 250 Beschäftigte arbeiten für den AKE, in Schalke nah der Berliner Brücke wurde extra ein Großrohrwerk mit rund 50 Beschäftigten aufgebaut. 10 661 Rohr-Elemente mit einem Gesamtgewicht von 213 747 Tonnen wurden dort gegossen. Der Betrieb lief aus, das Werk ist wieder zu. „Wir konnten die Arbeit leider nicht fortsetzen mangels Folgeaufträgen“, so Vorstand Jan Wierenga. Die vielleicht einzige schlechte Nachricht an diesem Tag.
Daten, Zahlen und Fakten zur Großbaustelle:
- Auf 51 Kilometern Länge von der Kläranlage Dortmund-Deusen bis zum Klärwerk Emschermündung in Dinslaken wird der Fluss vom Abwasserkanal „begleitet“. Das 865 Quadratkilometer große Einzugsgebiet der Emscher und ihrer Nebenläufe mit rund 2,3 Millionen Einwohnern profitiert von dem Jahrhundertprojekt. Im Kerngebiet sind mit kanalisierten Zuflüssen in acht bis 40 Metern Tieflage 42, 8 Kilometer Kanal verlegt worden.
- Im Gelsenkirchener Stadtgebiet sind es alleine 15,1 Kilometer. 3764 Rohre wurden im Bauabschnitt 30 verlegt. Gesamtgewicht: 106 503 Tonnen.
- Übrigens sind 37 Prozent der Region Poldergebiet, das heißt, sie müssen wegen der Bergsenkungen künstlich entwässert werden. Auch längs der neuen Emscher entstehen entsprechend leistungsstarke Pumpwerke.
- In Gelsenkirchen werden noch über 30 Kilometer Gewässer umgestaltet und renaturiert. Damit, so Emschergenossenschafts-Vorstand Jochen Stemplewski, „wird ein Stück Zukunft gebaut, für Gelsenkirchen, für die Menschen an der Emscher.“
- 130 Baugruben säumen die Kanalbaustelle, an fast 8000 Stellen mussten Leitungen gekreuzt werden. Insgesamt, rechnet W&F-Vorstand Jan Wierenga, wurden 660 000 Tonnen Erdaushub abtransportiert – „zum Großteil per Schiff“.
- Bis 2017 läuft noch der Abbau der Schachtbaustellen, bis 2020 die Umbauten an Zuläufen und Emscher. „Es gibt also noch viel zu tun“, stellt Stemplewski fest.
- Bei der Durchbruchfeier in Heßler waren rund 20 Tunnelpatinnen dabei. Erste Tunnelpartin war die Bochumer Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz, letzte Elke Köhler. Durch den „Elke“-Tunnel grub sich Bohrmaschine „Isabel“ nun zum Ziel.
- Unter dem Rhein-Herne-Kanal wühlten sich die Kanalbauer durch den „Gabriele“-Tunnel. Im Februar 2013 wurde er getauft, von der damaligen Bürgermeisterin und heutigen EU-Abgeordneten Gabriele Preuß.