Gelsenkirchen. . David Wnendt hat mit der Mediensatire „Er ist wieder da“ seinen dritten Spielfilm ins Kino gebracht. Seine Eltern lernten sich einst als Komparsen am Gelsenkirchener Musiktheater kennen.

Mit seinem aktuellen Film „Er ist wieder da“ setzte sich der Gelsenkirchener Regisseur David Wnendt am Montag an die Spitze der Kinocharts. Fast 1,4 Millionen Menschen haben die Verfilmung von Timur Vermes’ gleichnamigem Bestseller aus dem Jahr 2012, in dem Adolf Hilter im Berlin der Gegenwart aufwacht und für einen Komiker gehalten wird, bereits gesehen. Im Gespräch mit Nicolas Westerholt redet David Wnendt über seine Zeit in Gelsenkirchen, seine Leidenschaft für das Filmemachen und das Phänomen Adolf Hitler.

Sie wurden 1977 in Gelsenkirchen geboren, sind aber schon im Alter von vier Jahren weggezogen. Welchen Bezug haben Sie noch zu Ihrer Geburtsstadt?

David Wnendt: Meine Großeltern wohnen in Rotthausen, weswegen ich nach wie vor nach Gelsenkirchen komme. Die Stadt wird für unsere Familie immer eine besondere Bedeutung haben, da sich meine Eltern bei der Arbeit am Musiktheater kennen gelernt haben. Sie waren dort als Komparsen engagiert.

Haben Sie einen Lieblingsort in Gelsenkirchen?

Wnendt: Das ist der Revierpark Nienhausen. Als Kind war ich dort oft spielen. Mit meinem Opa war ich da im Freibad schwimmen. Damit sind für mich viele schöne Erinnerungen verbunden. Auch an die Seilbahn und die Turnstangen. Auch mit meiner Zeit in der städtischen Kita an der Lothringer Straße verknüpfe ich nur Positives.

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Gelsenkirchen versucht sich seit knapp zehn Jahren als Filmstandort zu positionieren. Wie sehen Sie das Potenzial?

Wnendt: Gelsenkirchen ist eine spannende Stadt mit interessanten Drehorten. Wenn es zu meiner Geschichte passt, kann ich mir sehr gut vorstellen, hier zu drehen.

„Besonderer Menschenschlag im Ruhrgebiet“

Als Diplomatensohn haben Sie unter anderem in Miami, Islamabad und Brüssel gelebt. Wie erleben Sie die Menschen im Ruhrgebiet im Vergleich dazu?

Wnendt: Das ist schon ein ganz besonderer Menschenschlag. Vor allem die ausgeprägte Herzlichkeit ist typisch für die Menschen hier. Die Mentalität unterscheidet sich auch vom Rest Deutschlands. Deswegen komme ich auch immer wieder gerne her.

Wann und wie haben Sie Ihre Leidenschaft für den Film entdeckt?

Wnendt: Alles begann mit dem Theaterstück „Frühlingserwachen“ in der neunten Klasse. Ich fand es spannend, am Bühnenbild und bei der Organisation mitzuarbeiten, aber auch inhaltlich das Stück zu gestalten. Während meiner Bonner Zeit arbeitete ich beim Offenen Kanal. Hier lernte ich Kamera- und Schnitttechnik und produzierte meine ersten Kurzfilme.

Und wann wurde Ihnen klar, dass Regisseur eine ernsthafte berufliche Option für Sie ist?

Wnendt: Das war mit 19. Ich hatte den Vertrag für eine Ausbildung zum Bankkaufmann in der Tasche, doch dann traf ich die Entscheidung, meinem Traum nachzugehen. So nahm ich statt der Ausbildung das Studium der Publizistik und der Betriebswirtschaftslehre auf und machte nebenbei verschiedene Praktika in der Filmbranche. So sammelte ich als Beleuchter oder Cutter eine Menge an wertvoller Erfahrung. Nach dem Magister folgte dann die Ausbildung zum Film- und Fernsehregisseur an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam.

„Ich lebe meinen Traum“

Schon der Film „Kriegerin“, der Ihnen den Durchbruch brachte, spielte im rechtsextremen Milieu. Jetzt der Hitler-Film, woher kommt Ihr Interesse für dieses Thema?

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Wnendt: Als ich 1997 nach Berlin zog, fiel mir auf, dass es in den neuen Bundesländern sehr viele Jugendliche gab, die offen rechts waren. Ausländerfeindlichkeit war weit verbreitet. In den Medien fand das Thema zu dieser Zeit aber fast überhaupt nicht statt. Ich fragte mich, warum das so ist und versuchte die Frage mit einem Film aus der Perspektive eines weiblichen Neonazis zu ergründen. Auch heute beschäftigt mich das Thema noch, weswegen ich die Verfilmung von „Er ist wieder da“ gerne übernommen habe. Ich finde, das rechtes Gedankengut sich immer mehr in der Mitte der Gesellschaft festsetzt.

Wollen Sie mit Ihrer Arbeit auch aufrütteln? Etwas verändern?

Wnendt: Meine Filme sollen die Leute unterhalten, aber auch zum Nachdenken bringen. Idealerweise beides. Oft dient der Aspekt der Unterhaltung dazu, die Menschen erst anzuziehen. Manche würden sich sonst niemals mit solchen Themen auseinandersetzen.

Ihre letzten drei Filme liefen erfolgreich im Kino. Können Sie sich Ihre Stoffe inzwischen aussuchen?

Wnendt: Einerseits bekomme ich Projekte von Filmstudios angeboten, ich kann mich aber auch aktiv darum bemühen. Wichtig ist für mich, dass es ein Stoff ist, mit dem ich etwas Interessantes machen kann.

Was kann man von Ihnen in nächster Zeit erwarten? Gibt es noch ein Herzensprojekt oder Lebenstraum?

Wnendt: Ich lebe meinen Traum. Jeden Tag freue ich mich, diesen schönen Beruf ausüben zu können. Jetzt mache ich erst mal etwas Urlaub, habe aber auch schon mit dem Schreiben an einem neuen Drehbuch angefangen. Es wird also auf jeden Fall ein weiterer Film kommen, aber es ist noch zu früh, etwas darüber zu sagen.

Mit Hitler durch Deutschland: „Stimmung war erschreckend.“ 

Wann war Ihnen klar, dass Sie vom Buch abweichen und dokumentarische Szenen einbauen würden, in denen Oliver Masucci als Adolf Hitler durch die Republik fährt und mit den Leuten spricht?

Wnendt: Die Idee hatte ich vom ersten Moment an. Nur so erhalten wir die Antwort auf die Prämisse des Buchs: Was würde tatsächlich passieren, wenn Hitler wieder da wäre? Hätte er wieder eine Chance? Wenn dieser Ansatz nicht möglich gewesen wäre, hätte ich den Film auch gar nicht erst übernommen.

Wie überrascht waren Sie, dass die Menschen Masuccis „Hitler“ wie einen Popstar gefeiert haben und Fotos mit ihm machen wollten?

Wnendt: Ich war total überrascht, dass die Reaktionen so positiv ausfallen. Immer wieder schnellte bei Passanten der Arm zum Gruß hoch. Die Leute nahmen ernst, was er sagte und äußerten sich selbst offen ausländerfeindlich. Diese Stimmung war erschreckend.

Nach den Erfahrungen bei den Dreharbeiten: Glauben Sie, dass die Deutschen immer noch oder schon wieder empfänglich sind, für einen charismatischen Anführer mit einfachen Lösungen?

Wnendt: Ich glaube, das Entscheidende sind die einfachen Lösungen. Charisma ist etwas Diffuses, das Leute gerne bestimmten Persönlichkeiten zuschreiben. Hitler war meiner Meinung nach überhaupt nicht charismatisch. Er war ein mittelmäßiger, eher fauler Politiker, der von der Propaganda groß gemacht wurde. Was damals wie heute funktioniert ist, wenn man den Leuten scheinbar einfache Lösungen verspricht. Danach sehnen sich die Menschen in unsicheren Zeiten voller Krieg und Wirtschaftskrisen.

Welche Menschen sind dafür besonders anfällig?

Wnendt: Das sind erstaunlicherweise Menschen über 50, denen es eigentlich gut geht und die nicht bedroht werden. Sie fürchten sich davor, dass sich die Welt verändert und suchen einfache Feindbilder, etwa Ausländer. Sie leiden an einer Abstiegsangst, die losgelöst ist von Fakten.