Gelsenkirchen. . Der gebürtige Gelsenkirchener David Wnendt hat das preisgekrönte Neonazi-Drama „Kriegerin“ gedreht. Irgendwann möchte der Filmemacher auch in seiner Heimat drehen – eine Ost-West-Komödie.

Vor zwei Wochen startete das Neonazi-Drama „Kriegerin“ in den Kinos. Der Regisseur David Wnendt (34) stammt aus Gelsenkirchen und hat auch das Drehbuch für sein Erstlingswerk geschrieben. Dafür wurde er mit dem Förderpreis Deutscher Film ausgezeichnet. WAZ-Mitarbeiter Tobias Mühlenschulte telefonierte mit dem Wahl-Berliner.

Herr Wnendt, welcher Stadtteil war Ihr Zuhause?

David Wnendt: Rotthausen. Dort bin auch in den Kindergarten gegangen. Eingeschult wurde ich dann aber in Islamabad, weil mein Vater als Diplomat beim Auswärtigen Amt alle drei oder vier Jahr versetzt wurde. Danach ging es wieder nach Deutschland, in die Nähe von Bonn. Von dort aus nach Florida, dann Brüssel und wieder in die Nähe von Bonn. Dort habe ich auch mein Abitur gemacht. Anschließend bin ich nach Berlin gezogen, um dort zu leben und zu studieren. Meine Eltern leben heute in Potsdam.

Haben Sie heute noch einen Bezug zu Gelsenkirchen?

Wnendt: Meine ganze Familie kommt aus Gelsenkirchen - Oma, Opa, Tante, Cousine. Deshalb bin ich immer wieder mal dort und fühle auch noch eine Verbundenheit zur Stadt.

Warum haben Sie sich für das Thema Rechtsextremismus entschieden?

Wnendt: Als ich 1997 kurz nach dem Abi nach Berlin kam, wollte ich auch die Umgebung kennenlernen und habe Foto-Touren gemacht – etwa nach Brandenburg oder in die Lausitz. Damals ist mir aufgefallen, wie viele rechte Jugendliche es dort gab, die ganz normaler und integrierter Teil der Stadt oder des Dorfbilds waren. Das war ganz anders, als ich das kannte. Ich fand das erschreckend, aber auch interessant. Und ich habe seitdem keinen Film gesehen, der die Verhältnisse so dargestellt hat, wie ich sie erlebt habe. Meistens waren es dann doch nur Glatzen mit Bomberjacken. Und ich habe festgestellt, dass es immer mehr Frauen in diesem Milieu gibt, deshalb habe ich meinen Fokus dann auch so gesetzt.

Wie schätzen Sie Rechtsextremismus in Gelsenkirchen ein?

Wnendt: Ich habe dort nicht recherchiert, aber ich weiß, dass es im Ruhrgebiet insgesamt sehr problematisch ist. NRW war und ist immer noch Spitzenreiter bei rechten Gewalttaten. In Dortmund gibt es bekannte Plätze, aber ich kann nicht differenzieren, wie es in Gelsenkirchen oder in anderen Städten ist.

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Denken Sie, dass Ihr Film aus aktuellem Anlass – Stichwort „Zwickauer Zelle“ – in viel mehr Kinos gezeigt werden sollte?

Wnendt: Die Entscheidungen der Kinobetreiber sind kurz vor den Ereignissen getroffen worden. Sie schätzen im Vorfeld ab, wie viele Besucher in den Film gehen. In Berlin laufen wir in einem Cinemaxx und die haben uns in der ersten Woche mit 60 Plätzen gestartet – im kleinsten Kino, dass sie dort haben. Die Kriegerin war aber immer ausverkauft und in der nächsten Woche lief der Film dann schon in einem größeren Saal. Der Bedarf ist also da. Das ist für uns natürlich ärgerlich und wir hätten uns mehr Mut gewünscht. Die Kinobetreiber hätten nach der Aushebung der Zwickauer Zelle auch noch entsprechend reagieren können. Da ist eine Chance vertan worden. Momentan sind 61 Kopien im Umlauf. Das ist für so eine Art von Film immer noch viel. Aktuell liegen wir auf Platz 4 der Arthouse-Charts.

Sind Sie bei Ihren investigativen Recherchen bedroht worden?

Wnendt: Nein. Es gab ein paar Situationen, etwa bei Demonstrationen, in denen ich kontrolliert und ausgefragt worden bin und meinen Pass zeigen musste, aber es gab keine Drohungen, auch bis jetzt nicht. Man kann meine Nummer und Anschrift auch immer noch im Telefonbuch finden. Diese Gefahr, die es zweifellos gibt, darf man aber auch nicht überschätzen. Viel gefährlicher finde ich, dass Neonazis sich breitgemacht haben und integriert sind.

Werden Sie auch mal einen Film in oder über Gelsenkirchen drehen?

Wnendt: Irgendwann in meinem Leben bestimmt. Ich habe auch schon eine Idee: ein Ost-West-Liebespaar versucht für seine Hochzeit, die beiden Familien zusammenzubringen. Eine Familie kommt aus Gelsenkirchen – mit allem, was dazugehört – und die andere aus einer Kleinstadt im Osten. Es soll eine Komödie mit Tiefgang werden, in der nicht Klischees aufeinandertreffen. Aber erst steht noch ein anderes Projekt an, eine Romanverfilmung. Aber darüber darf ich noch nichts sagen.