Gelsenkirchen. Der 64-Jährige wollte seine Frau erwürgen. Sie hatte von der fatalen Finanzsituation keine Ahnung. Nun ist er wegen versuchten Mordes angeklagt.

Angst, dass seine Frau ihm „die Hölle heiß macht“, wenn er ihr das Ausmaß der Schulden gesteht? Scham, dass er die Familie da hinein manövriert hat? Darüber spricht der wegen versuchten Mordes angeklagte ehemalige Polizeibeamte (64) aus Gelsenkirchen, Donnerstag vor dem Essener Schwurgericht. Aber ob das tatsächlich der Grund dafür war, dass er seine gleichaltrige Frau am Morgen des 2. April in der gemeinsamen Gelsenkirchener Wohnung mit seinem Seidenschal würgte, bis er dachte sie sei tot? „Ich weiß nicht, wieso ich so reagiert habe. Ich habe nicht nachgedacht,“ sagt er über den entscheidenden Moment, den er vor Gericht einen „fatalen Fehler“ nennt.

Die Pension komplett einbehalten

Dabei hätte es zu den Schulden gar nicht kommen müssen: Nach seiner Pensionierung 2012 „lief alles ganz prima zu Hause, wie früher auch“, erzählt der 64-Jährige. Ende 2013 bekam er vom Landesamt für Besoldung und Versorgung die Nachricht, dass man 400 Euro einbehalten werde. Er müsse eine andere Krankenversicherung abschließen. Der Ex-Polizist kümmerte sich nicht. Ein Jahr später dann die Nachricht, man werde die Pension komplett einbehalten. So geschah es und der Angeklagte nahm es hin, dass sich Schulden anhäuften. „Ich hab den Kopf in den Sand gesteckt“, sagt er,

Die EC Karte wurde eingezogen, die Miete angemahnt. Der Angeklagte versetzte Schmuck seiner verstorbenen Mutter und seiner Frau, um an Bargeld zu kommen. Alles war weg: „Da hab ich bemerkt, dass mir das Wasser Oberkante Unterlippe stand.“ Seine Frau war ahnungslos, wusste nichts von den Schulden und bemerkte erst am Morgen der Tat den Verlust ihrer zwei Ringe.

Die Öffentlichkeit ausgeschlossen

„Wir sind pleite“, gestand er nach eigener Aussage am Tag vor der Tat seiner Ehefrau. Sie habe erstaunlich gelassen reagiert, man habe über Sparmaßnahmen gesprochen und er habe einen Sparkassentermin für den nächsten Morgen vorgetäuscht. „Ganz normal“ hätte man dann den Abend verbracht, erinnert sich der ehemalige Polizeibeamte, einschließlich „Gute Nacht-Küsschen.“ Ebenso „normal“ verlaufen sei das Frühstück am nächsten Morgen, bis seine Frau die fehlenden Ringe bemerkte, da habe sie sich aufgeregt.

Dann die Tat: Beim Aufbruch zum Sparkassentermin würgte er sie von hinten mit seinem Seidenschal, bis sie bewusstlos zu Boden sank. Den Schal legte er anschließend um seinen Hals, verließ das Haus und „lief ziellos herum.“ Er trank Kaffee, später noch vier Bier und aß eine Bratwurst bevor er sich in der Nacht der Polizei stellte.

Bei der Zeugenaussage der Ehefrau wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Sie hatte bei der Polizei berichtet, dass ihr Mann sie schon am Abend vor der Tat im Wohnzimmer mit seinem Schal leicht gewürgt hätte. Er schildert das anders: „Sie hat empfindliche Nackenwirbel“, weiß er. „Dann wird dir warm, hab ich gesagt und ihr den Schal umgelegt.“ – der Prozess wird fortgesetzt.