Gelsenkirchen. Die Aussage des mutmaßlichen Opfers reichte nicht. Deshalb sprach das Gericht zwei Angeklagte vom Vorwurf des Überfalls auf einen Taxifahrer frei.

Im Prozess vor der VII. Essener Strafkammer hatten sich die beiden Angeklagten als Opfer dargestellt. Das nahm das Gericht ihnen nicht ab. Es sah aber auch keinen Beweis, dass sie einen Taxifahrer überfallen hatten. Deshalb sprach es die 30 und 29 Jahre alten Angeklagten am Montag frei. Staatsanwältin Rautenberg hatte sich von der Schuld der beiden überzeugt gezeigt und jeweils sechs Jahre Haft gefordert.

Der 47 Jahre alte Taxifahrer reagierte auf das Urteil nach der Sitzung hoch emotional, sprach von Ungerechtigkeit. Laut Anklage war er von den beiden Angeklagten bestohlen, geschlagen und getreten worden. Er hatte sie am 7. Dezember 2013 vor der Gaststätte „Zum Trompeten-Willy“ in Ückendorf gegen 18 Uhr abgeholt. In der Kneipe hatten sie mitangesehen, dass Schalke 2:1 in Mönchengladbach verlor. Während der Fahrt sollen sie den Fahrer als „scheiß Türke“ beleidigt haben. Als er deshalb die Fahrt beendete, hätten sie ihm 250 Euro Bargeld geklaut und mit einer Taschenlampe auf den Kopf geschlagen. Auch als er am Boden lag, hätten sie geschlagen und getreten.

„Wir wissen nicht, was wirklich passiert ist"

Kann sein, urteilte sinngemäß das Gericht, wir wissen aber nicht, was an dem Abend wirklich passiert ist. Denn der Taxifahrer hatte in der Hauptverhandlung plötzlich von weiteren Aktionen berichtet, von denen er nach der Tat bei der Polizei nichts erzählt hatte. Ob ihm vor der Aussage vielleicht jemand gesagt hatte, die Beweislage sei schlecht und er müsse noch etwas dazu erfinden? Oder wollte er seine Gegenwehr als etwas tapferer schildern? Mit Spekulationen darüber hielt das Gericht sich nicht auf, Richter Nils Feldhaus sprach nur das Hauptproblem der Aussage an: „Wir wissen nicht, was wirklich passiert ist. Wir können nicht sagen, ab diesem Zeitpunkt stimmt die Aussage, ab diesem nicht mehr.“

Zwar hatte ein Straßenbahnfahrer gesehen, dass der Taxifahrer am Boden lag und misshandelt wurde. Aber auch darauf dürfe sich keine Verurteilung stützen, sagte Feldhaus. Denn theoretisch denkbar sei ja, dass der Taxifahrer die körperliche Auseinandersetzung begonnen und die beiden sich nur gewehrt hätten. Das hätte dann der Schlussakt sein können, den der Zeuge beobachtete.

Die Angeklagten hatten bis zur Hauptverhandlung in Essen geschwiegen. Im Prozess stellten sie sich als Opfer dar, der Taxifahrer hätte sie zunächst beleidigt und dann angegriffen. „Wenig glaubhaft“ sei diese Aussage sagte Richter Feldhaus und führte weiter aus: „Angesichts von mehreren alkoholisierten und aggressiven Fahrgästen wäre das fast selbstmörderisch gewesen.“

Der Onkel eines Angeklagten, der mit im Taxi saß, hatte sich bei der Polizei angeblich nicht erinnert. Im Prozess bestätigte er die Aussage der Angeklagten. „Nicht einmal ansatzweise glaubhaft“ sei das, so Feldhaus.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels war beim Antrag der Staatsanwältin fälschlicherweise die Rede von sechs Monaten Haft. Richtig ist: sechs Jahre.