Gelsenkirchen. Im Revierpark Nienhausen wachsen die integrativ beackerten „Essbaren Gärten“. Ernten ist (bald) erlaubt – allerdings nicht in Selbstbedienung.

. Roberto Cangelosi schleppt Gießkanne auf Gießkanne ins Beet. Schwungvoll bekommen Lollo Rosso und Eichblattsalat, Porree, Rotkohl und Kohlrabi, Männertreu und Petunien eine üppige Dusche verpasst. Was hier wächst, gehegt und gepflegt wird, sind die „Essbaren Gärten“ im Revierpark Nienhausen. Ein Projekt hat hier buchstäblich Wurzeln geschlagen. Es gedeiht im zweiten Jahr – und soll reiche Ernte einbringen.

Cangelosi gehört zu dem mittlerweile 17-köpfigen Team, das der integrativ arbeitende Ziegenmichel e. V. in und an der Kinderburg im Park im Einsatz hat. Mit dabei: Betreuer, Anleiter, Ehrenamtler, aber eben auch sechs Menschen mit Behinderung, die hier jenseits der üblichen Werkstatt-Arbeit eine Aufgabe gefunden haben.

Kräuter für den Saunaaufguss

Der Revierpark wandelt sich seit Jahren zum selbsternannten Gesundheitspark. Und der Ziegenmichel wirkt daran maßgeblich mit. Hochbeete wurden angelegt, Obstbäume und Beerensträucher gepflanzt, zwischen Kiefern blühen jetzt Frühjahrsblumen, dazwischen wachsen Gewürzkräuter und Gemüse. Lavendel und Rosmarin, Dill und Fenchel schießen ins Kraut. In Sauna und Wellnessabteilung des Gesundheitsparks werden die Kräuter bereits für aromatische Aufgüsse genutzt. Von Kindergärten, Schulkindern oder Parkbesuchern sollen Salat, Gemüse und Co. demnächst geerntet werden dürfen. Schilder geben dann an, was so wächst. Und wann es reif ist zum Verzehr.

Selbstbedienung, sagt „Ziegenmichel“ Michael Lorenz soll es aber bitteschön nicht geben. „Es ist nicht gedacht, dass die Leute in die Beete stapfen und jeder mit der Gartenschere durchläuft. Unsere Mitarbeiter sind erkennbar, sie können angesprochen werden.“

Über 700 Pflanzen wurden in den letzten Wochen eingesetzt, sagt Ziegenmichel-Mitarbeiterin Stefanie Tietze. Mächtige Baumstämme, liegen geblieben nach Pfingststurm Ela, begrenzen jetzt Beete an Wildwiesenbereichen und halten gleichzeitig noch gefräßige Karnickel fern. So etwas nennt man wohl perfekte Zweitverwertung. Gehörig Arbeit steckt auch im 70 Meter langen Kartoffel- „Acker“. „Da haben wir 30 Tonnen Mutterboden und 15 Tonnen Mist mit der Schubkarre reingefahren und mit Schaufeln verteilt“, sagt Lorenz. Insgesamt wurden für die neuen Beete über 90 Tonnen Material bewegt – allein über 40 Tonnen Baumstämme.

"Mittwochs ist unser Wald- und Parktag"

„Wir sind angetreten, den Park zu verändern, das Konzept zu visualisieren“, erklären Tietze und Lorenz. Das bisherige Resultat kommt an.. „Das ist schon schön hier, ein toller Platz für die Kinder, auch weil sie mitbekommen, wie sich die Natur entwickelt“, findet Ulrike Barnick. Mit Erzieherinen und zwei Gruppen der Kita Imbuschweg ist sie an der Kinderburg. „Mittwochs ist unser Wald- und Parktag“, sagt Erzieherin Meryem Oktay. Fin-Luca, Kadir, Laura oder Fatma, allesamt vier bis fünf Jahre alt, gehören passenderweise zur „Grünen Gruppe“ und kennen sich schon ganz gut aus: „Das ist Kohlrabi, das Salat. Und da war ein Kürbis, das hab’ ich auf ‘nem Schild gesehen“, erzählen die Knirpse.

Demnächst, findet Tietze, können und sollten sie auch mal etwas ernten. Und spätestens zum Herbst helfen, wenn die Kartoffeln ausgemacht werden...

Die Projektmittel liefen anch einem Jahr aus

2014 wurde das integrative Arbeits-Projekt im Revierpark Nienhausen angeschoben. Im ersten Jahr versuchte der Landschaftverband Westfalen Lippe über ein vom Land angeschobenes Sonderprogramm „1000 Arbeitsplätze mit Behinderung“ zu schaffen. Gelsenkirchen stieg mit dem Ziegenmichel e.V., bis dahin Träger für das Kinderland und den Lehr- und Erlebnisbauernhof im Nordsternpark, ein. Der Verein hatte im Vorfeld auch die Trägerschaft für die Kinderburg übernommen..

Neben neuen, auch mit Spenden (unter anderem von „Schalke hilft“) finanzierten Spielplatz-Angeboten, der Lama-Station und der reaktivierten Gartenbahn entstanden die Gärten. Eine Anleiterstelle und fünf Außenarbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen wurden aus Projektmitteln für das Kinderburg-Angebot (mit)-finanziert. Eine weitere behinderte Mitarbeiterin wurde mittlerweile für den Gastronomiebetrieb übernommen. Die Beteiligten zeigten enormes persönliches Engagement. „Die Leute sind selbst am Wochenende gekommen, um zu gießen“, sagt Michael Lorenz.

Die Projektfinanzierung lief nach einem Jahr aus. „Doch gerade mit unserer Klientel“, so Lorenz, „braucht es Zeit, damit man so etwas entwickelt“. Lutz Dworzak, SPD-Ratsherr und Vorsitzender des Sozialausschusses, mühte sich vergeblich im zuständigen Landesministerium um eine Verlängerung. Für mehr Nachhaltigkeit sorgt jetzt die Stadt – zumindest für ein weiteres Jahr: 22 500 Euro für Personalkosten wurden in den Haushalt eingestellt. Lorenz nötigt das Respekt ab: „Das ist aller Ehren wert, wenn du als Kommune nix auf der Tasche hast, mit so einem Projekt weiter zu machen.“