Gelsenkirchen. . 550 Streikende folgten am Montag dem Verdi-Aufruf. Mit ohrenbetäubendem Lärm forderten sie mehr finanzielle Aufwertung für ihre Berufe. 150 Eltern zeigten sich solidarisch mit Erziehern und Sozialarbeitern.
Das Rathaus ist der Adressat des Protestes. Aber nicht unter dem Bürofenster von Oberbürgermeister Frank Baranowski – wie ursprünglich geplant – skandieren die Erzieher/innen und Sozialarbeiter/innen ihr „Streiken bis zur Aufwertung“. Kurzfristig ist der Protest vor den Haupteingang des Hans-Sachs-Hauses verlegt worden. Da die Ebertstraße im Vorfeld nicht gesperrt wurde, führt das zu Kollisionen mit dem Autoverkehr, bindet aber auch mehr Passanten in den Streik ein. Es wird diskutiert, auch mal Unverständnis geäußert, aber in der Mehrheit stößt der Protest auf Sympathie. Auch darum geht es am Montagmorgen. Selbst von den Streiks betroffene Eltern erklären sich solidarisch.
Aufwertung äußert sich im Lohn
150 Eltern sind vor das Hans-Sachs-Haus gekommen. „Es ist an der Zeit, dass der Streik ein Ende hat, aber wir stehen trotzdem voll hinter den Erziehern“, sagt Sabrina Stegmann, Mutter von zwei kleinen Kindern und in Elternzeit. Der Tochter fehlten mittlerweile die Sozialkontakte und die Notgruppe sei für stille Kinder keine Alternative, bedauert Christine Sobiech, Lehrerin, zwei Kinder und in Elternzeit. „Aber die Erzieher machen einen guten Job; er sollte auch ordentlich entlohnt werden.“
Dafür sind am Montagmorgen 550 Streikende dem Verdi-Aufruf gefolgt. Mit ohrenbetäubendem Lärm fordern sie mehr Aufwertung für ihre Berufe. „Aufwertung muss sich auch im Lohn widerspiegeln“, sagt Thorsten Waschulewski vom Verdi-Bezirk Emscher-Lippe Süd. Die Lohnstruktur entspreche noch denen der „Frauenberufe“ mit Tarifverträgen aus den 60er Jahren. Verdi will eine höhere Eingruppierung erstreiten, weil sich „die Aufgaben total geändert haben“.
Welche Aufgaben das sind, zeigt die „Gelsenkirchener Präventionskette“, die Erzieher und Sozialarbeiter auflisten. Auf Schautafeln stehen Begriffe wie Familienzentrum, Hausgeburt, Kita-Eingangsuntersuchung, Integration, Schulvorbereitung. Drastischer machen sich die Sozialarbeiter Luft. In kleinen Szenen spielen sie nach, wie ihr Berufsalltag aussieht: Misshandlung und Vernachlässigung von Kindern, häusliche Gewalt, Inobhutnahmen, Eltern, die im Sorgerechtskrieg liegen.
"Jetzt bricht so langsam alles zusammen"
Sozialarbeiter Uwe Günther von der Jugendförderung nennt seine Berufskollegen „super flexibel und zu jeder Zeit bereit, sich bei aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen mit adäquat pädagogischen Angeboten immer wieder neu zu positionieren“. Man kümmere sich um veränderte Familiensysteme, Migration, Integration, Zuzug Südost, Inklusion, Aktionen gegen Rechts und aktuell Salafismus.
Bei dem, was die kommunalen Arbeitgeber bislang geboten haben, gingen 95 Prozent der Beschäftigten leer aus, beklagt Waschulewski, sieht Verdi aber am längeren Hebel: „Dass der Streik so lange dauert, zeigt, dass die Aufwertung dieser Berufe wichtig ist. Denn jetzt bricht so langsam alles zusammen.“