Gelsenkirchen. Gelsenkirchen lässt die Heimkinder-Affäre von einem Untersuchungsausschuss durchleuchten. Im Fokus steht vor allem die ehemaligen Jugendamts-Leiter.

Der Rat der Stadt Gelsenkirchen stimmte am Donnerstagabend für einen Untersuchungsausschuss namens „Ausschuss zur Untersuchung von Fehlverhalten im Kontext der Gelsenkirchener Jugendhilfe“. Der soll von nun an die Aufklärungsarbeit des Skandals rund um die ehemaligen Jugendamtsleiter Alfons Wissmann und Thomas Frings sowie deren ungarische Einrichtung Neustart kft vorantreiben.

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Dass es an dieser Stelle ein Votum für den Antrag der SPD gab, stellte für die Opposition im Rat den Schönheitsfehler des Abends dar. Die Genossen setzten den eigenen Vorschlag dank ihrer absoluten Mehrheit durch, während alle anderen im Rat vertretenen Parteien dem Antrag der Grünen folgten.

Dass die Aufklärungsarbeit umfassend und lückenlos betrieben werden soll, daran ließ kein Stadtverordneter einen Zweifel. Was der Ausschuss tatsächlich leisten kann, ist wohl vor allem die politische Aufarbeitung des Skandals, während sich die Staatsanwaltschaft Essen um die strafrechtliche Seite kümmern muss.

Neun Jugendliche waren in Pecs

Dass die Aufklärung ein durchaus zähes Ringen um Fakten werden kann, zeigte der Sachstandsbericht, den Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) gab. „Es gibt Belege für massives Fehlverhalten“, sagte er. Aber von einem vollständigen Bild sei man noch weit entfernt.

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Immerhin steht fest, dass nicht nur sechs Jugendliche im Zeitraum 2005 bis 2008 bei der Neustart kft in Pecs untergebracht waren, sondern neun: acht aus Gladbeck und einer aus Herne. Gelsenkirchener Kinder seien in der Einrichtung nicht betreut worden, stellte der OB fest. Ob die Empfehlung der Jugendhilfereinrichtung St. Josef an andere Jugendämter, Kinder nach Ungarn zu schicken, von Wissmann und Frings mit Überbelegungen vergütet wurde, sei noch nicht zu bestätigen, so Baranowski.

St. Augustinus kündigt Mitarbeiter fristlos

Dafür gab es Neuigkeiten aus dem Hause St. Augustinus. Geschäftsführer Peter Weingarten bestätigte gegenüber dem Rat, der freigestellten Heimleiterin von St. Josef, Anja Gresch, eine Kooperation mit Wissmann in Ungarn ausdrücklich verboten zu haben; darüber hatte die WAZ am Mittwoch berichtet. Bis zur „Monitor“-Sendung habe er von den Verbindungen keine Kenntnis besessen.

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Dafür sei jetzt bei Recherchen im eigenen Haus, der St. Augustinus GmbH, und bei St. Josef eine weitere Nachricht im Komplex „Täuschung und Missbrauch“ zu Tage getreten: Ein nächster Angehöriger der ehemaligen Heimleiterin habe sich seine Anstellung in St. Josef durch ein falsches Führungszeugnis erschlichen. Weingarten: „Wir haben am Donnerstag ein fristloses Kündigungsverfahren eingeleitet, das weiter vorangetrieben wird.“

Gemeinsam mit einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen werde das Verhältnis von St. Josef mit der Neustart kft in Ungarn für den Zeitraum 2005 bis 2008 untersucht, ebenso die Belegungspraxis bei St. Josef mit dem Landesjugendamt und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Weingarten: „Es gibt aber noch kein wirklich vollständiges Bild.“ Und für die Aufklärung sei man auch auf die Mithilfe der Stadt und des Kinderschutzbundes angewiesen.