Gelsenkirchen. Die „junge werkstatt“ an der Hagenstraße lädt seit 2010 regelmäßig zum poetischen Wettstreit. Die Dichter sind erfreulich nah am Leben.

„Gedicht, Fließtext, Einkaufszettel, ganz egal, Hauptsache selbst geschrieben und vorgetragen“, erklärt Tobias Reinartz Samstagabend in der Werkstatt an der Hagenstraße. Zuvor erhoben sich sechs, sieben Arme, als Antwort auf die Frage, wer noch nie auf einem Poetry Slam war.

Die meisten aber, die auf den Klappstühlen Platz genommen haben, sind mit dem Dichterwettstreit vertraut, viele auch mit dem Poesieduell Buer – seit November 2010 stellen sich die Poeten hier vor das Mikrofon.

Sehr breite Themenpalette

Ins Leben gerufen von Dea Sinik, die den Slam seitdem organisiert und mit Tobias Reinartz moderiert. Beide schreiben selbst, Dea hat schon ein Buch herausgegeben, „Pottpoesie“ heißt die Anthologie, das Poesieduell hat sich zur festen Buerschen Kulturveranstaltung etabliert. Sechs Slammer treten heute an.

Den Anfang macht Leonid Safir mit einem sehr ernsten Stück „Für Sarah“. Ein junges Mädchen, das ihre Arme mit Rasierklingen malträtiert: „An dir ist ganz und gar nichts verkehrt.“ Mehr Lacher erlaubt danach Monika Alexanders Text „Wie schön wär’ das Zigeunerleben“ – die Bochumerin erzählt über das Dasein als Poetry Slammer; das Unverständnis der Eltern, über die Verachtung und den Hohn Gleichaltriger, und dass „scheiße“ kein Feedback sei. Auch Sven Hensel beschäftigt das Slammerleben, er sinniert darüber, ob er schon ausgebrannt ist oder das Feuer der Poesie noch in ihm lodert. Anna Conni teilt ihre Erinnerung an einen Autounfall, Lisa-Marie aus Wuppertal und Nektarios aus Düsseldorf erzählen von Vorurteilen. Als Theologiestudentin hört sie oft „So siehst du ja gar nicht aus“, er nennt sich selbst „integriertes Ghettokind“ und kämpft mit seiner griechischen Mutter, die „eigentlich ein Kreuzritter ist“.

Berührtes Schweigen und ungezügeltes Lachen

In 15 Minuten Pause wird abgestimmt, Getränke gekauft, vor der Tür geraucht, dann geht es ins Halbfinale mit Lisa Marie, Nektarios, Monika und Leonid. Thematisch so vielfältig wie die erste Runde. Der 13. Geburtstag von Lisa Maries Cousin als Konsumkritik, Leonids „Bindungs- und Verlustangst“ oder Nektarios’ Geschichten aus dem Ghetto – alle wirken, als machten sie sich mehr als zweimal Gedanken über ihr Leben. Um darauf Geschichten zu Papier zu bringen, die vor Publikum berührtes Schweigen und ungezügeltes Lachen hervorbringen.

Das Abendfinale erreichen schließlich Lisa Marie und Nektarios, ein dritter Text von beiden, dann wird abgestimmt – es kommt zum überraschenden Doppelsieg, Dritter wird Leonid. Aber ums Gewinnen geht es hier eh nicht in der Hauptsache. Nektarios: „Sich auf eine Bühne zu stellen und sich mitzuteilen, ist einfach richtig schön.“