Gelsenkirchen. . Einen gelungenen Auftakt zum Erzählfrühling auf Consol präsentierten Vertreter dreier unterschiedlichster Formen der Wortakrobatik dem Publikum.
„Welcome to the City of Thousand Fires“ – André Wülfing eröffnet am Samstagabend im Keller des Consol-Theaters tatsächlich auf Englisch den Reigen des Gelsenkirchener Erzählfrühlings. Die knapp über 50 Zuhörer werden weiter mit „Guten Abend“ in über zwanzig Sprachen empfangen, dazu überschlägt sich Wülfings Stimme in Michael Buffer-Manier wie bei einer Boxkampfansage. Spektakulär auf jeden Fall, die Auftaktveranstaltung heißt „WILDwort“, das hat der Sprecher des Hauses gleich mal wörtlich genommen.
Der „Fährmann“ alias Alexander Barike glättet die Wogen mit schönem Gitarren- und Mundharmonika-Sound, Neil Young lässt grüßen.Die angenehme Stimme besingt melancholisch die „Zeit im Rinnstein“, das trostlose Gefühl „ein Leben lang auf einen Zug zu warten, der nicht kommt“.
„Die coolsten Gags kommen von römischen Dichtern“
Diese Musik lebt auch von Worten. „Wir wollen in diesem Jahr den Erzählfrühling ausweiten, darum die Ausdehnung auf acht Wochen und die Auslotung von neuen Grenzen“, erklärt der Pressesprecher des Consol-Theaters Georg Kentrup. Die Experimentierfreude präsentiert zunächst zwei „Live-Poeten“, Teilnehmer der letzten Gelsenkirchener Poetry-Slam-Meisterschaft. Christofer mit f ist, wie er selber sagt, „Insasse aus Herne, der heute mal raus durfte“, spielt mit dem negativen Klischee seiner Heimat. Aber informiert dann augenzwinkernd, die Ruhrgebiets-Chantall aus dem Trash-TV heiße eigentlich Sabine und habe Staatsexamen.
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Als Lehrer für Latein und Geschichte möchte er seine „Schüler da abholen, wo sie stehen – beim Gangster-Rap“. Furios und hörenswert dann seine opulent gereimten Wortspiele, mit grammatikalischen Bezeichnungen und lateinischen Zitaten, die zur Überzeugung gelangen „die coolsten Gags kommen von römischen Dichtern“ und er selbst ist eh „schnieke, wie die Göttin Nike“.
Mit sehr leisen Tönen das Publikum vereinnahmt
Ganz leise hingegen vereinnahmt CooPajaro ihr Publikum. Was zart wie eine zerbrochene Liebesbeziehung erscheint, mit Fragen „was hätte ich anders machen können“ eine verletzte Seele offenbart, entpuppt sich als knallharte Anklage gegen das Phänomen, Opfern eine Mitschuld zu unterstellen. „Die Diagnose heißt Vergewaltigung“ ist Pajaros klare Aussage.
Die einzige klassische Erzählerin des Abends ist Heike Siebert. Sie beginnt mit Baskenmütze und „Hühnchen à la grandmère“ im Märchenstil, gebannt lauscht der Zuhörer. Lautmalerische unterstützung bietet Sven Vilhelmsson am Kontrabass. Ob bei den bunten Strickmustern der Großmutter oder beim Erklimmen der Hühnerleiter – das Zupfen der Saiten bietet immer die perfekten Töne. Am Ende schwingt sich Siebert mit austreckten Armen flatternd „gen Himmel“ – war doch das gefrorene Hühnchen ein kleiner gefallener Schutzengel. Ein gelungener Start.