Gelsenkirchen. Biochemiker Dr. Haral Friedrich sprach beim Umweltforum über die drohende Gefahr einer ökologischen Katastrophe.
„Wenn wir damals dachten, wir hätten etwas ausgegraben, so ist das mit dem PCB einige tausend Mal gravierender“, knüpfte Dr. Harald Friedrich an seinen Besuch vor knapp zwei Jahren an. Damals referierte der Biochemiker über Gefahren, die von der Sonderabfallentsorgung der Ruhrkohle AG unter Tage ausgehen. Freitagabend standen hochgiftige Polychlorierte Biphenyle (PCB), die Mitte der 80er Jahre in Hydraulikölen in Bergwerken im Ruhrgebiet zum Einsatz kamen, im Fokus. Auf dem Podium saß auch Bergmann Christian Link.
Er forderte, „dass man alles unter die Lupe nehmen müsste, was unter Tage eingesetzt wurde und verblieb. ISO-Schäume, die krebserregendes Formaldehyd enthalten, Gebirgsverfestiger, Paste zur Bindung von Staub“. Auch Bergarbeiter aus Gelsenkirchen waren zum Teil hohen PCB-Belastungen ausgesetzt, was der Bericht eines ehemaligen Kumpels verdeutlichte.
Mit steigendem Grubenwasser könnte giftiges Material an die Oberfläche kommen
Über hundert Zuhörer kamen zur Veranstaltung des Umweltforums ins IG Metall-Haus. Friedrich gilt als der „Whistleblower“ in Sachen Umwelt. Der Abfall- und Wasserexperte und frühere Mitarbeiter von NRW-Umweltministerin Höhn (Grüne) hatte 2009 die PFT-Belastung der Ruhr untersuchen lassen. Jetzt macht er auf die drohende Gefahr durch PCB aufmerksam. „In absehbarer Zeit werden die Bergwerke aufgegeben, das Grubenwasser steigt und damit die Gefahr, dass das hochgiftige Material an die Oberfläche kommt“, so der Biochemiker. Friedrichs Erkenntnisse veröffentlichte „Der Spiegel“ im Januar, vergangene Woche wurden sie bestätigt. In der Emscher wurden Spuren von PCB aus Grubenwasser nachgewiesen. Eine Gefahr, die die Bergaufsicht bislang verneint und anhand von Sondermessungen als „nicht relevant“ belegt hatte.
12 000 Tonnen der krebserregenden Chemikalie lagern unter Tage
12 000 Tonnen der krebserregenden Chemikalie lagern unter Tage. Friedrich befürchtet eine ökologische Katastrophe, wenn die RAG ihre Pläne für die zentrale Wasserhaltung umsetzt: Anstieg des Grubenwassers auf 600 bis 500 Meter und weniger Pumpen im Einsatz. So würden Folgekosten des Bergbaus reduziert – Friedrich schätzt, „dass die RAG damit im Jahr 60 bis 65 Millionen Euro einspart“ – aber die Chemikalien, die in den Stollen lagern, ins Grundwasser, in Flüsse und Bäche gelangen. Jährlich hebt der Konzern über 60 Mio. Kubikmeter Grubenwasser, das in Lippe, Emscher und Ruhr geht. Eine Wassermenge, in der das PCB nicht mehr nachweisbar sei. Für Friedrich ist das „Abwasserentsorgung durch Verdünnung. Wir müssen das Problem lösen; es kann nicht sein, dass der Rhein zum Plumpsklo des Bergbaus wird.“
Experte befürchtet, dass die Bergaufsicht den Verbleib des PCB genehmigt
Dr. Harald Friedrich übte sowohl Kritik an den Messverfahren, als auch an den Berichten, die die Landesregierung in Düsseldorf vorgelegt habe. „Die Tabellen, die den Landtagsabgeordneten im Januar und März vorgesetzt wurden, sind falsch. Es fehlt der wissenschaftliche Sachverstand, es gibt keine richtige Validierung.“ (Beifall.) Doch so einfach will sich der zuständige Ausschuss für Bergbausicherheit in Düsseldorf nicht abspeisen lassen. Die Ungereimtheiten des Berichtes wurden vom stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, Josef Hovenjürgen, angemahnt. Er erwartet außerdem von der Bergaufsicht, dass sie „das Grubenwasserkonzept der RAG überdenkt“.
Dr. Harald Friedrich geht davon aus, dass „die Bergaufsicht den Verbleib des PCB in den Schächten nicht nur toleriert, sondern auch genehmigt.“ Aufgrund der „Genehmigungspraxis über 30, 40 Jahre“ könne die RAG „eine Duldung erwarten“. Der Konzern spiele auf Zeit. „Ab 2018 gehen die Kosten für die Bergbaufolgen auf die Stiftung über. Reicht das Stiftungsgeld nicht, müssen der Bund, NRW und Saarland aufkommen.“ Letztlich also der Steuerzahler.