Gelsenkirchen. Der Stadtkämmerer geht. Dr. Georg Lunemann (47, CDU) verlässt Gelsenkirchen nach fünf Jahren und wechselt zum 1. April als Erster Landesrat zum Landschaftsverband Westfalen-Lippe.

Der Stadtkämmerer geht. Dr. Georg Lunemann (47, CDU) verlässt Gelsenkirchen nach fünf Jahren und wechselt zum 1. April als Erster Landesrat zum Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), um dort u.a. das Ressort Finanzen zu übernehmen. Ein Amtsnachfolger für ihn wird noch gesucht. Seine Vertretung nehmen OB Frank Baranowski (SPD, Personal) und Sozialdezernentin Karin Welge (SPD, Finanzen/Feuerwehr) wahr.

Herr Lunemann, wir sehen in Ihrem Büro schon einige gepackte Kartons. Wann ist ihr letzter Arbeitstag in Gelsenkirchen?
Georg Lunemann: Am Freitag. Am Montag und Dienstag habe ich noch zwei Tage regulären Urlaub, ehe ich dann am Mittwoch nächster Woche in Münster auf meiner neuen Position beginnen werde.
Wie komplett wird der Schnitt werden, ziehen Sie auch um?
Ja, das werde ich.

Wann wird das sein?
Jetzt, zum 1. April. Ich habe mit viel Glück eine Wohnung in Münster gefunden, die fußläufig zu meinem neuen Arbeitsplatz liegt. Da gehe ich 10 bis 15 Minuten. Die Pendelstrecke nach Münster und zurück wäre zu groß gewesen.

Was werden Sie an Gelsenkirchen vermissen?
Ganz klar die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern, mit dem OB und im Verwaltungsvorstand, die sehr eng und gut war. Schalke 04 werde ich vermissen und wie der Verein in der Stadt gelebt wird. Und die Feuerwehr, die mir doch immer sehr am Herzen lag.

Wieso das?
Das liegt an meiner Vita. Bevor ich 2010 nach zwölf Jahren beim LWL nach Gelsenkirchen kam, war ich über zehn Jahre bei der Bundeswehr. Ich denke, meine eigene Zeit in Uniform hat mich da geprägt und für ein besonderes Verständnis für Menschen in Uniform gesorgt.

Die Kartons werden gepackt. Da darf der Schalke-Wimpel nicht fehlen.
Die Kartons werden gepackt. Da darf der Schalke-Wimpel nicht fehlen. © Michael Korte

Da ist doch noch mehr.
Was meinen Sie?

Haben Sie nicht auch bei der Feuerwehr trainiert?
(lacht) Ja, das stimmt. Ich habe so gut es ging das Laufband an der Seestraße für meine Fitness genutzt. Auch das werde ich ganz bestimmt vermissen, wenn ich in Münster bin.

Herr Lunemann, wenn Sie auf Ihre Arbeit als Kämmerer in Gelsenkirchen zurückblicken, gibt es besonders Positives, das Ihnen spontan einfällt?
Ich habe eine gute Zusammenarbeit nicht nur innerhalb der Verwaltung, sondern auch mit den politischen Parteien erlebt, die vertrauensvoll war. Ich habe erlebt, dass die wichtigsten und zentralen Entscheidungen im Rat oftmals mit breiter parteiübergreifender Mehrheit getroffen wurden. Und sehr frisch ist die Erinnerung an den Einsatz als Leiter des Krisenstabes nach dem Pfingststurm Ela. Wie das gelaufen ist in der Zusammenarbeit mit allen Stellen, das war schon richtig stark.

Das kann doch nicht alles sein aus fünf Jahren Gelsenkirchen.
Natürlich ist da noch mehr, aber dazu muss ich in berufliche Details gehen. Konzepte für die Haushaltskonsolidierung auch mit neuen Ideen zu entwerfen, war sehr spannend. Den ehrenamtlichen Politikern dies detailliert zu erläutern, warum etwas gerade so gemacht wird, hat mir auch immer viel Spaß gemacht. Transparenz und Verständnis sind an der Stelle vielleicht zwei Worte, die passen. Auch mit Blick auf den Bürgerhaushalt, den wir jetzt zum zweiten Mal aufstellen. Als Verantwortlicher für das Personal habe ich mich immer für Ausbildung eingesetzt und das betriebliche Gesundheitsmanagement gefördert. Beides ist gerade bei einer älter werdenden Belegschaft sehr wichtig.

Und umgekehrt? Gibt es Ereignisse, die im Rückspiegel negativ besetzt sind?
Nein. (zögert) Wirklich nicht. Ausgesprochene Fettnäpfchen fallen mir nicht ein. Und andere Dinge fasse ich unter der Überschrift „Erfahrungen sammeln“ zusammen.

Arbeit, Bildung und Stadterneuerung sind die Herausforderungen

Ein Blick auf ihre berufliche Zukunft: Es ist immer wieder ein Ansatz für Diskussionen, warum Gelsenkirchen so viel Geld an den LWL zahlen muss, für den Sie ja jetzt als Kämmerer und Vize-Chef stehen.
In diesem Jahr werden es knapp 76 Millionen Euro sein, die Gelsenkirchen zahlt. Aber dafür gibt es ja auch viel zurück. In diesem Fall sogar deutlich mehr als die Stadt gibt. Die Mittel fließen insbesondere an Einrichtungen, die Leistungen der Eingliederungshilfe in den Bereichen Arbeiten und Wohnen für behinderte Menschen erbringen. Auf die Arbeit beim LWL freue ich mich. Der Haushalt ist mit 3,2 Milliarden ungleich größer. Der Verband zählt 16 000 Beschäftigte und hat eine überregionale Bedeutung. Aber eben auch mit einer tiefen kommunalen Verankerung, etwa über die Umlage, die im Wesentlichen zur Finanzierung der Eingliederungshilfe benötigt wird und die Aufgaben, die der LWL über Schulen, Kliniken und Museen erfüllt.

Wird denn die Umlage für die Stadt entscheidend sinken, falls die zugesagte Bundesentlastung bei der Eingliederungshilfe komplett umgesetzt wird?
Sollten die 5 Milliarden ab 2018 über die Eingliederungshilfe kommen, wären das auf Gelsenkirchen umgerechnet rund 20 Millionen Euro Entlastung über die LWL-Umlage jährlich.

Georg Lunemann im Gespräch.
Georg Lunemann im Gespräch. © Michael Korte

Das klingt ganz stark nach einem Aber.
Genau. Denn im Rahmen der Diskussion um das so genannte Bundesteilhabegesetz geht es auch um eine Leistungsausweitung. Somit besteht die Gefahr, dass von der vorgesehenen Entlastung von 5 Milliarden Euro ein Teil zur Finanzierung zusätzlicher Leistungen verwendet wird. Daher bestehen wir Kommunen auf eine Netto-Entlastung. Sollten zusätzliche Leistungen definiert werden, muss der Bund dies selbst finanzieren.

Die Entlastung durch den Bund ist auch mit Blick auf die Übernahme der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbminderung eine echte Größe für die Kommunen.
Das ist sie. Beide Entlastungen zusammen können für unseren Haushalt fast 50 Millionen Euro bedeuten. Und sie sind vor allem strukturell und somit dauerhaft. Anders ist die aktuelle Entlastung durch das Land, das eigentlich für die Finanzausstattung der Städte verantwortlich ist. Das vergessen die meisten.
Gibt es denn einen zentralen Zeitpunkt, der eine entscheidende Rolle spielt?

2018 ist eine ganz entscheidende Jahreszahl. Bis dahin bekommt Gelsenkirchen durch die Teilnahme am Stärkungspakt Stadtfinanzen Hilfe aus Düsseldorf, um einen ausgeglichenen Haushalt hinzubekommen. Das muss ab 2021 aus eigener Kraft geschafft werden. Danach kommt aus Düsseldorf nichts mehr, abgesehen von den „normalen“ Schlüsselzuweisungen.

Ist das angesichts der Einbrüche bei den Gewerbesteuern und wachsenden Aufgaben sowie Ausgaben denkbar?
Das ist das große Problem. In den Jahren 2007 und 2008 stimmten die Zahlen bei der Gewerbesteuer noch. Da verbuchten wir 160 und 180 Millionen Euro auf der Einnahmeseite. Für 2015 planen wir mit 65 Millionen Euro. Das ist mit Blick auf dringend notwendige Investitionen in der Stadt schon ein Problem, auch wenn wir durch eine Neugestaltung des Soziallastenansatzes jetzt über die Schlüsselzuweisungen des Landes mehr Geld bekommen als früher.

Dazu kam ja auch noch eine völlig unerwartete Steuerrückzahlung. an ein Unternehmen.
Ja, das Datum werde ich nie vergessen. Es war der 21. Dezember 2012 als uns die Forderung erreichte. 55 Millionen Euro plus 6 Millionen Euro Zinsen von einem Großunternehmen...

... Sie sprechen über Eon...
Das darf ich nicht sagen. Aber das war schon keine einfache Situation für die Stadt.

Herr Lunemann, zum Abschied noch ein Satz zur Gelsenkirchener Zukunft. Was sind die dringendsten Aufgaben?
Das sind die Herausforderungen, an denen wir schon seit Jahren arbeiten: Arbeit, Bildung, Stadterneuerung – und das bei einer schwierigen Kassenlage. Angesichts der finanziell schwierigen Situation nicht die Strukturen in der Stadt zu zerschlagen, die Gelsenkirchen für die Menschen ausmachen. Dazu gehört es auch, genehmigungsfähige Haushaltssanierungspläne aufzustellen. Das ist uns in den letzten fünf Jahren immer gelungen. Es muss insbesondere darum gehen, den Wirtschaftsstandort zu stärken und Arbeitsplätze zu schaffen, auch um die Langzeitarbeitslosigkeit zu reduzieren. Ich bin sicher, dass die Stadt für die Bewältigung dieser Herausforderungen gut gerüstet ist.