Gelsenkirchen. Für Stadtdechant und St. Urbanus-Pfarrer Markus Pottbäcker bleibt Kirche der Ort, der Menschen mit ihrer Freude und Glück, aber auch mit ihrer Trauer und Verzweiflung aufnimmt.
Eigentlich ist der Stadtdechant auf Vorstellungstour. Wie so oft, seit er in Buer als Pfarrer tätig ist. Doch der Airbus-Absturz mit 150 Toten, die Trauer, das kollektive Entsetzen – für Markus Pottbäcker ist das am Tag danach beim WAZ-Gespräch natürlich auch Thema, weil es ihn als Mensch und in seinem Amt als Priester beschäftigt.
„Ich war früher auch Notfallseelsorger. Da denkt man sofort daran, wie es ist, in solch einer grauenhaften Situation zu sein“, sagt der 48-Jährige. Beistand leisten, Trost spenden. Das erwarten Menschen in Not. Und das erhoffen sie sich – immer noch – von ihrer Kirche.
St. Urbanus ist mit 38.000 Katholiken die größte Pfarrei Deutschlands
„Ein entscheidender Punkt“ ist für Pottbäcker, „wie wir damit umgehen“. Nicht nur nach diesem Unglück wurden Kirchen zum stillen Gedenken geöffnet. „Und die Leute kommen, sie wissen im Teil eben noch, wo sie hingehen können, wenn sie etwas haben.“ Genau das ist für den Priester eine Kernaufgabe der Kirche. Auch in Zukunft: „Menschen einen Ort zu bieten, wo sie mit ihrer Freude und Glück, aber auch mit ihrer Trauer und Verzweiflung hinkommen können.“
Vor genau einem Jahr erfuhr Pottbäcker, dass Ruhrbischof Dr. Franz-Josef Overbeck ihn sich als Pfarrer für St. Urbanus, mit 38.000 Katholiken immerhin die größte Pfarrei Deutschlands, vorstellen könnte. Im September trat er den Dienst in der Propsteipfarrei und die Nachfolge von Wilhelm Zimmermann an, den der Papst zum Weihbischof in Essen ernannt hatte. Die nächste Aufgabe folgte kein halbes Jahr später: Im Februar wurde Pottbäcker zum neuen Stadtdechanten in Gelsenkirchen, repräsentiert und vertritt nun vier Groß-Pfarreien mit 20 Priestern, einer ähnlich großen Zahl Priester im besonderen Dienst („unsere Rentner, auf die sind wir absolut angewiesen für die Gottesdienste“) und rund 30 kirchlichen Mitarbeitern.
Im Kollegenkreis ist der 48-Jährige „ein Küken. Der Klerus im Bistum ist im Schnitt 68 Jahre alt.“ Lebenserfahrung gepaart mit Überzeugungskraft, klarer Diktion, großer Offenheit, Schlagfertigkeit und Humor bringt er dennoch reichlich mit von seinen Priesterstationen in Oberhausen und Essen.
Im Kollegenkreis ist der 48-Jährige „ein Küken“
Das Bistum, seine Kirche, erlebt Pottbäcker „im gewaltigen Umbruch“. Hier wird er vor allem als Gestalter und Moderator gefordert sein. „Das ist für uns ja eine vollkommen neue Erfahrung, dass wir uns selber zurückbauen.“ Nach der großen Umstrukturierung von 2004 bis 2008 müssen nun bis 2030 weitere 50 Prozent der Haushaltsmittel eingespart werden. „Das geht nur über die Aufgabe von Stellen und Gebäuden. Bis Ende 2017 soll es ein Votum für den Bischof geben, abgesegnet durch alle relevanten Gremien der Pfarreien. Ein schwieriger Prozess, für den Pottbäcker auf Kommunikation und Transparenz setzt, auch, um darüber nicht die Menschen zu verlieren. Denn: „Wir bauen im laufenden Geschäft um und bekommen eine andere Form von Kirche.“
Für den Stadtdechanten steht fest, dass die größte Herausforderung dabei nicht im weiteren Rückzug aus der Fläche besteht. „Wie kriege ich es hin, Glauben attraktiv zu machen?“, ist für Pottbäcker die entscheidendere Frage. „Für mich ist klar: Ich will keine Rekrutierung. Ich will keinen kriegen. Das funktioniert nicht.“Pastoral bedeute für ihn, „dass ich mit Menschen ind den Dialog darüber komme, was Glauben für mich bedeutet. Ich will das, was ich erfahren habe, mit anderen teilen.“