Gelsenkirchen. . Am Montagabend fand in der Neuen Synagoge Gelsenkirchen eine Gedenkfeier statt. Anlass war der 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz.
Auschwitz-Birkenau war das größte Konzentrations- und Vernichtungslager der Nationalsozialisten. Weit über eine Millionen Menschen wurden dort während des Zweiten Weltkrieges ermordet. Am 27. Januar 1945 wurde das Lager von den Alliierten befreit. Im Gedenken an die Opfer der Massenmorde sowie an die erste Deportation der Gelsenkirchener Juden am 27. Januar 1942 nach Riga, fand am Montagabend in der Neuen Synagoge Gelsenkirchen eine Gedenkfeier statt.
„Es sind nur 70 Jahre vergangen“, begann Judith Neuwald-Tasbach ihre Rede. Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen machte wiederholt darauf aufmerksam, dass der Hass gegen Juden in Europa heutzutage wieder zunimmt. „Noch heute habe ich gelesen, dass 81 Prozent der Deutschen sich nicht mehr mit dem Holocaust beschäftigen wollen. Aber es ist wichtig, sich zu erinnern, damit so etwas nie wieder passiert. Die Menschen müssen sich aktiv dagegen auflehnen und nicht einfach passiv zusehen. Wenn ich sehe, was sich in Europa momentan tut, macht es mir wirklich Angst“, so Neuwald-Tasbach.
Schreckliche Missetaten der Nazi-Zeit
Auch Oberbürgermeister Frank Baranowski betonte in seiner Ansprache die schrecklichen Missetaten der Nazi-Zeit. „Es ist eine nie wieder gutzumachende Schuld“, sagte er. Das Gelsenkirchener Stadtoberhaupt übertrug die Verfolgungen und Morde auch auf die aktuelle politische Lage in Europa und plädierte dafür, den Hass, der momentan geschürt würde, ernst zu nehmen. „Die wichtigste Botschaft für mich: Es darf keine Toleranz für Intoleranz geben“, schloss Baranowski.
Im Anschluss an die Rede spielte das Ensemble Ruhr eine dramatische Komposition des russisch-jüdischen Komponisten Mieczyslaw Weinberg in einer Fassung für Streichorchester. Die Anwesenden fanden Zeit sich zu besinnen und den mächtigen Klängen zu lauschen, bevor es dann für alle besonders emotional wurde.
Besonders emotionale Momente
Francois Pollak erzählte von den Erlebnissen seiner heute 87-Jährigen Mutter Rosa Pollak. „Es geht ihr noch sehr nah, darum übernehme ich für meine Mutter. Sie wurde aus Ungarn deportiert, mit allen Frauen und Kindern der Stadt. Drei Monate war sie in Auschwitz, bevor sie als Zwangsarbeiterin zur Gelsenberg Benzin AG gebracht wurde. Sie lebten in Zelten, hatten kaum etwas zu essen, kaum Wasser. Eine ihrer Schwestern starb bei der Bombardierung der Gelsenwerke, sie selbst war schwer verletzt. Bei ihrer Befreiung wog sie 28 Kilo.“ Bei jedem ihrer Worte zitterte Francois Pollaks Stimme; die Gäste konnten die Tränen kaum zurückhalten.
Nach dem Gedenkgebet auf Deutsch und Hebräisch hielten alle Gäste einen Augenblick inne, um dann zum Alltag zurückzukehren. „Ich hoffe, dass Antisemitismus und überhaupt Fremdenhass irgendwann wirklich keine Rolle mehr spielen“, sagte Judith Neuwald-Tasbach.